Das Berliner Themenjahr 2013 widmet sich mit rund 500 Veranstaltungen der von den Nationalsozialisten zerstörten gesellschaftlichen Vielfalt. Anlass für dieses Gedenkjahr sind der 80. Jahrestag der Machtübergabe an die Nationalsozialisten – am 30. Jänner 1933 ernannte der greise Reichspräsident Paul von Hindenburg nach langem Zögern Adolf Hitler zum Reichskanzler – und der 75. Jahrestag der Novemberpogrome 1938. Neben dem Denkmal für die ermordeten Juden, die ermordeten Sinti und Roma und die verfolgten Homosexuellen werden in Berlin Dauerausstellungen in diversen Einrichtungen gezeigt. Beispielsweise in der Gedenkstätte „Stille Helden”, im Anne Frank Zentrum, im Museum Blindenwerkstatt Otto Weidt oder in der Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz, die neben der Dauerausstellung die kleine Schau „Meine eigentliche Universität war Auschwitz” zum 100. Geburtstag des Historikers Joseph Wulf zeigte.
Im Jüdischen Museum Berlin wird neben der permanenten Schau ab Oktober auch die zum Themenjahr konzipierte Sonderausstellung über jüdische Keramikerinnen aus Deutschland nach 1933 gezeigt. Die Ausstellung „Ton in Ton“ folgt Grete Loebenstein, Mitbegründerin der erfolgreichen „Haël-Werkstätten für künstlerische Keramik”, in ihre Emigration nach England. Darüber hinaus zeichnet sie die Lebenswege anderer jüdischer Frauen nach, die Deutschland in den 1930er-Jahren verließen und nach Palästina auswanderten, wo sie als Keramikerinnen arbeiteten. Die Stiftung Topographie des Terrors präsentiert neben der Dauerausstellung „Topographie des Terrors. Gestapo, SS und Reichssicherheitshauptamt in der Wilhelm- und Prinz-Albrecht-Straße” bis 13. Oktober „Berlin 1933 – Der Weg in die Diktatur”. Die Sonderschau ruft schlaglichtartig in Bild- und Textdokumenten die Schlüsselstationen der Etablierung der NS-Herrschaft in den ersten sechs Monaten des Dritten Reichs auf und rückt das Schicksal der frühen Opfer des NS-Terrors in Berlin in den Blick. Die Eröffnung einer erweiterten Fassung der Ausstellung folgt im April 2013 im Ausstellungsgraben entlang der freigelegten Kellermauerreste an der Niederkirchnerstraße. „Wir waren Nachbarn” ist eine Ausstellungsinstallation im Rathaus Berlin-Schöneberg, eine Art „work in progress“, da die Ausstellung laufend um neue biografische Alben ergänzt wird. Seit mehr als 20 Jahren wird dort nach jüdischen Zeitzeugen geforscht. In Schöneberg lebten zu Beginn der NS-Herrschaft über 16.000 jüdische EinwohnerInnen, über 6.000 wurden vor den Augen ihrer NachbarInnen deportiert. Der Schwerpunkt im Themenjahr rückt KünstlerInnen verschiedener Sparten in den Mittelpunkt, so die Fotografin Gisèle Freund, die Malerin Lotte Laserstein, den Komponisten und Pianisten Ilja Bergh, die Schriftstellerin Gertrud Kolmar oder den Maler Ludwig Meidner. Biografische Alben laden zum Durchblättern und Lesen ein, auch authentische Stimmen einiger ProtagonistInnen sind zu hören. Die Namen der Deportierten sind auf kleinen Karten, nach Straßen geordnet rings um die biografischen Alben entlang der Wände nachzulesen. Als eine ins Themenjahr einführende Ausstellung kann die bis 10. November gezeigte Schau „Zerstörte Vielfalt. Berlin 1933-1938” im Deutschen Historischen Museum gesehen werden. Die Ausstellung vereint über vierzig Projekte von Museen und Gedenkstätten, privaten Vereinen und Initiativen, die sich mit der Geschichte Berlins im Nationalsozialismus auseinandersetzen. Litfaßsäulen mit Plakaten präsentieren historische Fakten von der Weimarer Republik bis hin zu den Novemberpogromen und große Fotowände dokumentieren die zehn Stationen der Schau mit zahlreichen Unterkapiteln. Die Themenblöcke behandeln u. a. die „Machtergreifung”, die „Zerschlagung der politischen Opposition”, „Flucht, Exil, Emigration”, die „Olympischen Spiele” oder„Zwangssterilisation”. Es wird im Rahmen der Schau auf ein Online-Projekt des Jüdischen Museums Berlin mit „1933. Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums”, auf ein Filmprojekt über Gehörlose in der NS-Zeit oder auf den Alltag schwarzer Menschen im Joliba Archiv verwiesen. Die Gleichschaltung der Gewerkschaftspresse verweist auf eine Ausstellung in der ver.di – MedienGalerie oder Lesbisch Jüdisch Schwul auf eine im Juni startende Schau in den Räumen des Schwulen Museums Berlin. Unter den rund 250 gezeigten Objekten befindet sich auch eine Originaltüre eines SA-Gefängnisses in der Papestraße und führt so zu einer Schau in Berlin-Tempelhof. |
Auch das Stadtbild Berlin ist gekennzeichnet: Über 4.700 Stolpersteine erinnern im öffentlichen Raum an die Opfer des Nationalsozialismus. Elf thematische Stadtmarkierungen an historisch relevanten Orten informieren über Ereignisse in der Zeit zwischen 1933 und 1938. Des weiteren wird eine Open-Air Ausstellung, bestehend aus Säulen mit Kurzporträts von mehr als 200 Personen, die Anfang der 1930er-Jahre die Vielfalt Berlins mitprägten und von den Nationalsozialisten verfolgt oder vertrieben wurden, gezeigt. Sie wurde zuerst am Brandenburger Tor aufgestellt und befindet sich nun im Berliner Lustgarten. Darunter befinden sich auch ÖsterreicherInnen: Arnold Schönberg, der ab 1925 Leiter einer Meisterklasse für Komposition an der Preußischen Akademie der Künste war, Feuilletonist Alfred Polgar, der Ende der 1920er-Jahre nach Berlin kam, Theatermacher Max Reinhardt, der die „Ehren-Arierschaft” ablehnte, die Physikerin Lise Meitner, Schriftsteller Robert Musil oder Regisseur Fritz Lang. |