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Wasser oder Blut

Äthiopien hat den Bau eines Damms am Blauen Nil begonnen und leitet ihn dafür um. Ägypten fürchtet nun akuten Wassermangel, und droht mit „allen Optionen“. Die Wasserkrise könnte außen- und innenpolitische Konsequenzen haben. Ägypten, sagt ein arabisches Sprichwort, sei ein Geschenk des Nils. Mehr als 90 Millionen Ägypter sind vom Wasser des längsten Flusses der Welt abhängig. Doch nun wollen andere diese Lebensader anzapfen. Äthiopien hat damit begonnen, den größten Staudamm Afrikas zu bauen. In zwei Jahren soll der Renaissance Damm 6000 Megawatt Strom produzieren. Doch zuvor muss ein gewaltiger Stausee mit 74 Millionen Kubikmeter Wasser gefüllt werden. Das, so fürchten viele Ägypter, könnte eine Katastrophe bedeuten. Sie wollen, dass Präsident Muhammad Mursi Addis Abeba entschlossen entgegentritt – notfalls mit Gewalt. Denn Ägypten hat ohnehin zu wenig Wasser – mit 640 Kubikmeter im Jahr pro Kopf rund 30% weniger als im Weltdurchschnitt. Im Jahr 2050 sollen bereits 150 Millionen Menschen im Land leben. Dafür benötigt Ägypten jährlich 21 Milliarden Kubikmeter mehr Wasser – für gewaltige Entsalzung fehlt dem hoch verschuldeten Staat aber das Geld. Bisher standen Kairo etwa 85% des Nilwassers zu. Dieses Anrecht basiert auf Verträgen, die Großbritannien 1929 und 1959 als Kolonialmacht festlegte. Acht Anrainerstaaten an den Quellen des Nils berücksichtigte man dabei nicht. Das wollten die nicht mehr hinnehmen. Mitte 2010 verfassten sechs Staaten – Äthiopien, Uganda, Kenia, Tansania, Ruanda und Burundi – ohne Ägypten und Sudan einen neuen Vertrag, um die Wasser des Nils „gerechter“ aufzuteilen. Äthiopien setzt diesen Vertrag jetzt um – was in Kairo Sorge auslöst. Mehr als 3 Milliarden Kubikmeter Wasser, so fürchten ägyptische Experten, könnten jährlich im Stausee verdampfen. Und solange der See gefüllt werde, könne Ägypten jährlich 15 Milliarden Kubikmeter weniger Wasser erhalten. Präsident Muhammad Mursi soll den Bau des Damms deswegen verhindern. Die Opposition fordert ein unbeugsames Auftreten Mursis: „Wir stehen vor einer Katastrophe, wenn wir nicht sofort und entschlossen handeln“, schrieb die Reform und Entwicklungspartei in einem Kommuniqué, in dem sie den Präsident für „den bevorstehenden Wassermangel“ verantwortlich machte. Mursi reagierte mit harter Rhetorik. Wenn auch „nur ein Tropfen vom Wasser des Nils gestohlen wird, dann ist die einzige Alternative, dass wir unser Blut geben“, sagte er am Montag. Alle Optionen stünden offen. Das belastet die Beziehungen mit Äthiopien weiter, nachdem eine Krisensitzung mit der Opposition bereits zum Eklat geführt hatte. In der live im Fernsehen übertragenen Besprechung hatte ein Parteiführer vorgeschlagen, Äthiopien mit Hilfslieferungen an Rebellen zu destabilisieren: „Wenn dieser Ansatz scheitert, bleibt keine andere Wahl, als den Damm mit Hilfe unseres Sicherheitsdienstes zu zerstören“, meinte Junis Machiun von der Nur Partei. Noch schließt die Regierung eine militärische Lösung aus: „Wir rufen nicht zum Krieg auf“, sagte Mursi, und betonte, Dialog sei die beste Lösung. Vertreter der koptischen Kirche sollen jetzt mit der christlichen Regierung Äthiopiens verhandeln. Addis Abeba schloss jedoch bereits einen Baustopp am 12 Milliarden Dollar Projekt kategorisch aus. 

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