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Spielarten des Antisemitismus

Im Zeitraum von 1998 bis 2014 sind in Frankreich die antijüdischen Aktionen (Gewalttaten, Beleidigungen, Drohungen) rapide gestiegen, während es 1999 lediglich 82 derartige Fälle gab, erhöhte sich deren Anzahl 2000 auf 744 und 2014 auf 851.

Seit Beginn des Jahrhunderts wurden die Morde an jüdischen Franzosen, die getötet wurden nur weil sie Juden waren, ausschließlich von jungen Muslimen französischer Nationalität begangen, die sich dabei auf den Islam beriefen, ob sie nun Dschihadisten sind (wie Mohamed ­Merah bzw. Amedy Coulibaly) oder nicht.

Unmittelbar nach dem Pariser Massaker, dessen letzter Akt die Ermordung von vier Juden im koscheren Supermarkt war, gab es eine solidarische Volksbewegung in Frankreich. Vier Millionen Franzosen gingen auf die Straße um zu zeigen, dass sie weder auf Meinungsfreiheit noch auf das laizistische Prinzip der französischen Republik verzichten. Der französische Ministerpräsident ­Manuel Valls hielt eine bewegende Ansprache in der Nationalversammlung und meinte selbstkritisch: „Man hat viele Sachen durchgehen lassen“. Er erklärte, dass der Kampf gegen den Terrorismus auch bedeutet, seinen „Kompost“, diesen „radikalen Islamismus“, zu dem er zum ersten Mal auch die „Salafisten“ und die „Muslimbruderschaft“ rechnete, wahr zunehmen. Er bekam tosenden Beifall, doch sehr bald wurde seine Rede vergessen.

Innerhalb der französischen Elite kam es zu einer Gegenbewegung. Derartiges hatte Charb, der ermordete Chefredakteur von Charlie Hebdo, vorausgesehen als er schrieb: „Ich habe weniger Angst vor den religiösen Fanatikern als vor den Laizisten, die schweigen.“ Tatsächlich stehen die Islamisten nicht allein in Frankreich (und anderswo in Europa), sie haben Verbündete, die aus ideologischer Überzeugung oder Interesse, aus Angst oder Unwissenheit agieren.

Ein Teil der in Frankreich tätigen Linksextremisten bekennt sich offen zum Bündnis mit dem Islamismus. Dazu gehört die Parti des indigènes de la République (PIR, Partei der Eingeborenen der Republik), die vorgibt, die Einwandererfamilien – die wegen „Islamophobie“ leiden – zu verteidigen. Auf der Website dieser antikolonialistischen Partei machen eingeborene Lehrer aus ihrem Herzen keine Mördergrube. Da schildert einer, was an seiner Schule geschah, als nach der Ermordung der Journalisten von Charlie Hebdo eine Schweigeminute verordnet wurde: „Sie sagten mir, das hat man gut gemacht mit Ihnen“, „Warum sollte man weinen wegen 12 Franzosen?“, „Gut, dass sie verrecken“. 

Diese Eingeborenen fordern in ihrer Grundsatzerklärung das Gesetz, das die Vollverschleierung verbietet, als „Ausnahmegesetz mit abgestandenem Kolonialgeruch“ abzuschaffen und behaupten: „Die Jungen „mit Migrationshintergrund“ werden beschuldigt, Vektor eines neuen Antisemitismus zu sein“. Womit sie die Wachsamkeit gegenüber dem mörderischen Antisemitismus anprangern, eine besondere Verantwortungslosigkeit. Ihre Website ist voll mit pro-Hamas Texten und man sieht ihre Mitglieder oft hinter einem Bild von Scheich Yassin demonstrieren.

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