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Robert Wistrich

7. April 1945 in Kasachstan - 19. Mai 2015 in Rom

Robert Wistrich, Professor für Europäische und Jüdische Geschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem und Direktor des Vidal Sassoon International Center for the Study of Antisemitism, war ein international hoch angesehener und gefragter Experte in Antisemitismus- und Menschenrechtsfragen dessen Expertise zahlreiche Regierungen und internationale Organisationen, u.a. den Europarat, die OSZE und die Vereinten Nationen, regelmäßig in Anspruch nahmen.

Wistrichs Großeltern waren jüdische Bürger der k.u.k. Monarchie. Seine Eltern, sein Vater war Arzt, erlebten den Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 in Lemberg, das die Sowjetunion besetzte, und bald darauf wurden sie wie auch andere Polen in die Sowjetunion deportiert. In Kasachstan, wo Robert geboren wurde, wurde sein Vater zweimal durch den NKWD inhaftiert. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs konnte die Familie nach Polen zurückkehren, sie emigrierte wegen des Antisemitismus in Polen über Frankreich nach Großbritannien, wo Wistrich die Schule besuchte. Sein Geschichtsstudium am Queens‘ College der University of Cambridge, schloss er 1969 mit dem MA ab. Wistrich promovierte 1974 an der University of London und war bis 1980 Forschungsdirektor am Institute of Contemporary History der Universität und an der Wiener Library. 1982 erhielt er einen Ruf an die Hebräische Universität Jerusalem. Von 1991 bis 1995 war er außerdem Lehrstuhlinhaber für Jewish Studies am University College London. Wistrich war einer von sechs Wissenschaftlern einer internationalen katholisch-jüdischen Historikerkommission, die zwischen 1999 und 2001 die Handlungen des Papstes Pius XII. im Verhältnis zum Holocaust untersuchten. Seit 2002 leitete er das Vidal Sassoon International Center for the Study of Antisemitism.

Wistrich hat eine Großzahl von Büchern, Buchbeiträgen und Zeitschriftenaufsätzen vorgelegt und wurde dafür mehrfach ausgezeichnet. Bereits seine 1985 verfasste Studie Socialism and the Jews erhielt den Preis des Vidal Sassoon International Center for the Study of Antisemitism und des American Jewish Committee. Das Buch The Jews of Vienna in the Age of Franz Joseph erhielt 1992 den österreichischen Anton-Gindely-Preis für die Geschichte der Donaumonarchie und Mitteleuropas. Die Studie Antisemitism: The Longest Hatred (1981) erhielt 1993 den Wingate Literary Prize for non-fiction in the UK. Diese diente dem PBS als Grundlage der dreistündigen Fernsehdokumentation The Longest Hatred, für die Wistrich das Script schrieb. Bei Channel 4 schrieb er 1993 für Luke Holland das Script zu Good Morning, Mr. Hitler, woraus danach das Buch Ein Wochenende in München entstand. Er wirkte an Hörfunksendungen über verschiedene Personen der jüngeren jüdischen Geschichte beim BBC Radio und beim Kol Israel mit. 2003 begleitete er die BBC-Dokumentation Blaming the Jews über den gegenwärtigen arabischen Antisemitismus und beriet 2006 die Produktion des Films Obsession: Radical Islam’s War Against the West.

Voller Stolz weisen wir auch darauf hin, dass Robert Wistrich auch in der INW veröffentlichte, diese sehr schätzte und unter anderem Mitherausgeber des 1997 anlässlich des 100 jährigen Bestehens der INW erschienen Buches Wandlungen und Brüche war. Persönlich kann ich nur sagen er war ein sehr bescheidener, immer höflicher und sehr kompetenter Analytiker. Wir werden ihn alle sehr vermissen.

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