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Gefahr in Verzug

Die Rückkehr von Angst und Gewalt in einem trügerisch friedlichen Europa.

Israel, kleine Insel in einem stürmischen Meer, das bisher noch nie so gefährlich war, steht an der Schwelle einer dritten Intifada, auch angezettelt durch den Vormarsch der radikalsten muslimischen Kräfte im Nahen Osten, von der Sinai-Halbinsel bis an die Grenzen der Türkei. Israel ist neuen Methoden von Terrorangriffen auf Menschen auf den Straßen der Wohngebiete ausgesetzt. Diese Situation ist Anlass zu großer Sorge für uns alle und darf nicht als alltäglich akzeptiert werden. Dazu kommt, dass 81 Jahre nach Beginn der Verfolgungen, die zur Vernichtung des europäischen Judentums, nach über zweitausendjähriger Anwesenheit auf diesem Kontinent, der dank des zivilisatorischen Beitrags der Juden zu dem geworden ist, wie wir ihn heute kennen, geführt haben, die armseligen Überreste des jüdischen Volkes hier wieder in großer Not und Gefahr sind. Nicht nur auf der den heftigen Stürmen ausgesetzten Insel, die leider als Metapher für Israel gilt, sondern auch in ganz Europa.

Fast ein Jahrhundert nach der Verbreitung des Nationalsozialismus ist es nunmehr klar geworden, dass das Gift nicht vertilgt werden konnte: im Gegenteil. In neuen Formen verbreitet es sich immer mehr in allen Staaten des Kontinents. Nie hätten wir Überlebende das erwartet. Nie hätten wir glauben können, dass nach dem Blutrausch der Vernichtung wieder Kräfte hier präsent sein würden, die, genährt von aus dem Ausland einströmenden Hassern, unsere Existenz verdammen und gefährden. Das europäische Judentum, gerade dabei, sich in dieser angestammten Heimat wieder zu entfalten und zu stabilisieren, lebt nun mit gepackten Koffern auf dem Sprung in die Flucht. Man kann es kaum glauben – aber unser geliebtes Europa ist wieder in der Hand unserer Feinde – und, wie damals, will man es nicht wahrhaben! Sehr bedauerlich ist es auch, dass die EU bisher gegen das Aufkommen dieses virulenten und handgreiflichen Antisemitismus in allen Ländern der Union keine Erwähnung gemacht, geschweige denn notwendige Maßnahmen getroffen hat. Im Gegenteil, die nun ausgeschiedene italienische Außenministerin Mogherini, die von Lady Ashton die Aufgaben der Außenpolitik der EU übernommen hat und zusätzlich auch stellvertretende höchste Instanz der EU geworden ist, hatte bei ihrem Antrittsbesuch in Israel, gerade jetzt, bei den dortigen gefährlichen Entwicklungen, nichts anderes zu vermelden, als ihre Gastgeber aufzufordern, die sogenannten palästinensischen Gebiete zu räumen. So kann Israel nicht einmal mehr mit den Italienern – einst besten Freunde – rechnen, um zu einer fairen Lösung des Konfliktes mit den Palästinensern zu gelangen.

Trotzdem herrscht auf der kleinen Insel im stürmischen Meer vor allem die Hilfsbereitschaft und der Humanismus für alle, die rundherum in Not sind.

In Syrien und im Irak leben seit dem Erscheinen der Lehren von Jesus von Nazareth und seiner Jünger Christen, verstreut in meist kleinen Gemeinden, und gerade in diesen beiden Ländern herrschen seit längerer Zeit blutige Bürgerkriege. Israel hilft, wo es kann, zumindest mit ärztlichem Beistand. Seit Aufkommen der Horden des sogenannten Kalifats hat die Verfolgung der Christen den Höhepunkt erreicht. Es werden alle hingemetzelt, die nicht zum Islam übertreten. Israel hat diesen unglücklichen Menschen Tür und Tor geöffnet, um sie zu retten, und viele ihrer Geistlichen in Jerusalem aufgenommen. Der Papst erwähnt das Schicksal dieser seiner Herde mit bewegten Worten, betet für sie und bittet seine Anhänger, für sie zu beten. Die Juden aber sind es, die sich bemühen und große Risiken eingehen, um ihnen zu helfen, nicht unterzugehen. Möge Gott Israel und seine Bewohner vor dem Übel dieser Welt schützen und es ihnen ermöglichen, Friede und Eintracht im Heiligen Land und in der ganzen Region für das Wohl aller herzustellen.

Leider haben viele Länder in den betroffenen Gebieten den Extremismus unterschätzt und sogar gefördert. Mehrere Staaten sind einstweilen dadurch total destabilisiert, ganze Gebiete und berühmte historische Orte zerstört. Millionen Menschen sind ständig auf der Flucht. Sie leben unter schwierigsten Bedingungen dort wo man sie in Scharen aufnimmt, nachdem sie in Panik ohne jede Habe davonrennen müssen. Ein Ende ist nicht abzusehen und wir dürfen nicht vergessen, dass sich all das an den Grenzen Israels abspielt – die Insel im stürmischen Meer, eben. Die bange Frage ist und bleibt: Wie lange wird Israel den stürmischen Wellen standhalten können? Schon Ben-Gurion lehrte uns, an Wunder zu glauben…

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