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Buchtipps und neue CDs

Bücher aus der Edition INW

CD-TIPPS

BUCHTIPPS

"I bin a unverbesserlicher Optimist"

Hermann Leopoldi, Komponist, Kabarettist, Klavierhumorist

Mit einer Ausstellung „Die drei Wien des Hermann Leopoldi" im Bibliotheksfoyer im Rathaus und mit einer Biografie aus dem Mandelbaum Verlag wurde und wird an den bekannten Komponisten und Klavierhumoristen erinnert.

hermann Leopoldi

Zu verdanken ist das speziell folgenden Momenten. Der 1955 geborene Sohn Ronald aus Hermann Leopoldis Partnerschaft mit der Sängerin Helly Möslein hatte den Nachlass der Wienbibliothek im Rathaus geschenkt. Bearbeitet wurde er durch die Historiker Georg Traska und Christoph Lind.  Das Gespann Leopoldi-Traska-Lind hatte 2011 in der Schriftenreihe des Wiener Volksliedwerks schon die „Leopoldiana. Gesammelte Werke von Hermann Leopoldi und 11 Lieder von Ferdinand Leopldi" herausgegeben.  Nun also folgen Ausstellung und Biografie, die Hermann Leopoldis Leben „entlang seiner Lieder" darstellen. Als wichtigstes Einzeldokument gelten im Sommer 1949 von Hermann Leopoldi selbst verfasste „Memoiren".
Noch jüdischer hätte sein Geburtsname nicht sein können: 1888 in Wien geboren als Hersch (Hermann) Kohn, setzte er 1911 – in Anlehnung an den Vornamen des Vaters – die offizielle Änderung in Leopoldi durch. Musik war und blieb die Familienprofession. Hermann Leopoldi war im Ersten Weltkrieg als Kapellmeister beim Frontvarieté tätig, gründete 1922 zusammen mit den Conférencier Fritz Wiesenthal ein  Kabarett im ersten Wiener Bezierk, in dem alle auftraten, die was zu sagen und zu singen hatten: unter anderem Max Hansen und Hans Moser, Armin Berg und Karl Valentin.

Die Flucht im März 1938 unmittelbar vor dem Anschluss Österreichs  misslang. Einen Monat später trat der Gastreisen erprobte Künstler – der in Berlin und Budapest, Paris und Prag mit seinen Wiener Liedern und Chansons bestens bekannt war – eine Schreckensreise nach Dachau und Buchenwald an, die seine Künstler-Kollegen Fritz Grünbaum und Fritz Löhner-Beda nicht überlebten. Als „unverbesserlicher Optimist" ist es ihm gelungen, bestätigt der Biograph Georg Traska, „seine Kameraden zu unterhalten und aufzuheitern". In Buchenwald komponierte Leopoldi aber auch die Musik zum Buchcover„Buchenwald-Marsch" auf den Text von Löhner-Beda.

Leopoldi hatte das Glück, dass seine damalige Frau Eugenie, die schon in den USA war, ihn „freikaufen" und ein Affidavit zur Ausreise für ihn organisieren konnte. Aus seinen Evergreens „In einem kleinen Café in Hernals" und „I’ bin a stiller Zecher" wurde nun „A Little Café Down The Street" und „I Am A Quiet Drinker". 1947 kehrte Leopoldi nach Wien zurück, knüpfte mit Tourneen durch Österreich, Deutschland und die Schweiz da an, wo er 1938 abrupt herausgerissen worden war.

„Wir wollen trotzdem Ja zum Leben sagen, denn einmal kommt der Tag, da sind wir frei".   (aus dem Buchenwald-Lied)

Der heimgekehrte Exilant arrangierte sich mit dem Klima der österreichischen Restauration und schwieg. Das mag irritieren und abstoßen. Doch Leopoldis Sache war weder die politische Reflexion noch der offene Widerstand, er wollte bis an sein Lebensende 1959 nur unterhalten, seinen Zuhörern Freude bereiten. Das ist eine seltene Gabe. Darum passt das Motiv auf dem Mandelbaum-Buch so gut: der Pianist  spaziert auf den Fingerspitzen lachend und im Handstand über Klaviertasten. Nora Niemann

Ausstellung: "Die Drei Wien des Hermann Leopoldi", Wienbibliothek im Rathaus,
Eingang Lichtenfelsgasse 2, Stg. 6 (Lift), 1010 Wien,
Montag bis Donnerstag 9 - 18.30 Uhr, Freitag 9 - 16.30 Uhr, bis 4. Oktober

Georg Traska, Christoph Lind: "Hermann Leopoldi, Hersch Kohn. Eine Biografie", Mandelbaum Verlag 2012, € 24,90.

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Ein Bad im sprudelnden Gedankenstrom

Elisabeth Wäger: Kopftheater

E. Wäger

Sofort tauche ich ein in den Strom der Gedanken, nachdem ich Elisabeth Wägers neuen Prosaband aufgeschlagen habe. Mäandernd und dann wieder gestaut, schäumend und sanft fließend bewegt er sich dahin und ich kann ihm mühelos folgen. Hintergründiger Witz und schwarzer Humor wechseln mit kluger Ernsthaftigkeit und praktischem Verstand.

Immer wieder tauscht die Erzählerin die Rolle und setzt sich eine andere Maske auf. Ist einmal Carola, die Theaterautorin, dann wieder die Freundin von Phil und Mutter zweier Kinder und unvermittelt tritt Carola zurück, ihre Schöpferin, Elisabeth Wäger, bemächtigt sich der Leserin und betrachtet das ganze Theater von außen. Dieser stetige Wechsel des Aspekts, der sanfte Übergang vom Ufer in die Mitte des Flusses, mal sind wir mitten auf der Bühne, dann wieder im Zuschauerraum, ist ein Teil des Charmes dieses Werks. Nie bin ich sicher, wer gerade spricht, Carola oder Elisabeth, und wo ich mich befinde, auf der Bühne im surrealen Theater oder auf der Einkaufsstraße im realen Leben.

Carolas Gedanken laufen undiszipliniert herum, stellt Wäger gleich zu Beginn fest und natürlich meint sie damit auch ihre eigenen, die laufen zwischen weltbewegenden politischen und gesellschaftlichen  Fragen und Trivialitäten hin und her und immer wieder setzt sich Carola/Elisabeth auch mit dem Schreiben auseinander: (Sehr schwer, das Schreiben, leider.)

Dann wieder: Vollkommen unerwartet drängt sich eine Geschichte (Shortstory) zwischen die Zeilen und will an die Öffentlichkeit. Sie wird erzählt, aber schon macht der Fluss der Gedanken wieder eine Biegung und wir erfahren wie es mit der Inszenierung weitergeht, aber nicht, wer Phil eigentlich ist – Carolas Freund oder der Hauptdarsteller in ihrem Stück, der allmächtige Intendant oder Vater ihrer Kinder? Phil ist eben alle Männer, die so im Gedankenstrom schwimmen. Gut kommt er (kommen sie) nicht wirklich weg, denn Elisabeth Wäger lässt die Gedanken einer Frau frei vazieren. Es sind die Gedanken einer Schriftstellerin, einer Mutter, einer Hausfrau. Sie fließen leicht, tanzen auf den Wellen des Flusses, lassen mich lachen und auch erschrecken, nachdenken und wenn Carola am Ende „Auf Wiedersehen“ sagt, dann hoffe ich, dass sie das ernst meint. Ditta Rudle

Elisabeth Wäger: Kopftheater, Geleitwort von Marie-Therese Kerschbaumer. Drava Verlag, 2010, 144 S., € 16,80.

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Weibliche Auflehnung

 Eine wunderschöne Einführung ins orthodoxe Judentum —

aber es handelt auch davon, wie schwierig es ist, in diesem orthodoxen Judentum zu leben

Buchcover Alderman

Die Heldin Ronit, die autobiografische Züge von Naomi Alderman zu tragen scheint, kommt am Ende dieses Buches zur Ansicht: „Ich kann keine orthodoxe Jüdin sein…Aber ich kann auch nicht keine orthodoxe Jüdin sein.“ Und genau dieser Gegensatz ist von der Autorin, die für „Ungehorsam“ den „Orange Award for New Writers“ bekommen hat, ist von Naomi Alderman auch formal gut dargestellt. Kapitel, in denen das Leben in der Gemeinde geschildert wird und solche, in denen sich die Autorin in die Religion des Judentums vertieft, wechseln ab mit Ich-Erzählungen der Heldin – und die wieder sind in einem anderen Schriftbild gehalten. Man spürt, wie schön und gut und geordnet das Leben sein kann, wenn man sich ganz den Regeln unterordnet – und es gibt viele Regeln. „Ungehorsam“ zeigt aber auch, wie schwer es ist, so fremdbestimmt und eingeengt zu leben. Eine zentrale Rolle im alltäglichen Geschehen in dieser orthodoxen jüdischen Gemeinde im Nordwesten Londons spielt der Schabbat, der siebente Tag, an dem Gott geruht hat. Stimmt nicht, sagt die Autorin, Gott muss sich nicht ausruhen, an diesem Tag hat er die Ruhe geschaffen. Und das ist etwas ganz anderes. „Schabbat zeigt uns alles, was wir erreicht haben, aber nicht mehr. Schabbat fragt uns leise, aber beharrlich, wer wir sind. Und ohne eine Antwort wird uns Schabbat nicht entlassen.“

Die Handlung: Der alte Rav – ein Rav ist mehr, ist höher, bedeutender als ein Rabbi – stirbt. Seine Tochter Ronit kommt aus New York, wo sie ein erfolgreiches Leben als Geschäftsfrau führt, zurück in die Heimat, aus der sie vor vielen Jahren geflohen ist. Dort findet sie Esti, ihre Jugendfreundin, mit der sie eine lesbische Beziehung hatte, verheiratet mit Dovid, dem voraussichtlichen Nachfolger des Alten. Unruhe und Beruhigung machen die Geschichte dieses Buches aus. Die Feste und die Feiern, aber auch der Alltag bilden den Rahmen der menschlichen Verwirrungen. Womit die Alderman auch besticht, sind die Charaktere der drei Hauptfiguren: Ronit, die nachher sofort immer ganz genau spürt, wenn sie etwas falsch gemacht hat, die ruhige Esti, der es auf irgendeine geheimnisvolle Art und Weise schafft, ihrem Leben eine Ordnung zu geben und Dovid, der den Kampf gegen seine mörderische Migräne hin und wieder auch gewinnt. (So kann jemand Schmerzen nur beschreiben, der sie selber kennt und sie in derart vehemente Bilder bannen.)

Konrad Holzer (Der Originalbeitrag ist im Magazin Buchkultur erschienen)

Naomi Alderman: Ungehorsam. Aus dem Englischen von Christiane Buchner und Miriam Mandelkow, Berlin Verlag 2007, 240 S., € 20,50.

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Künstlerin, Mäzenin, Sammlerin

Boris Manner stellt in einem Bildband die Künstlerpersönlichkeit Broncia Koller vor.

Broncia Koller wurde 1863 als Bronislawa Pineles im galizischen Sanok am San geboren. Sie ist 1934 verstorben und wurde am Döblinger Friedhof begraben.

holzschnitt

1870 übersiedelte die Familie nach Wien, der Metropole der Donaumonarchie. Ihren ersten Zeichenunterricht erhielt Koller vom Bildhauer Raab, der sie Kopien von Zeichnungen Holbeins und anderer Künster fertigen ließ. Nach dem Tod des Lehrers sprach sie bei Professor Leopold Carl Müller vor, der ihr Privatunterricht bei Alois Delug vermittelte. 1888 präsentierte sie bei der Internationalen Kunstausstellung in Wien erstmals ihre Werke. Durch die Anerkennung, die sie erhielt, bestärkt, ging sie nach München, das damals den Ruf einer Kunstmetropole hatte. Dort besuchte sie zwei Jahre lang die private Mal- und Zeichenschule Ludwig Herterichs. Nach Wien zurückgekehrt, richtete sie sich ein Atelier in der Wiener Piaristengasse ein. Die Malerin hatte Kontakte zur österreichischen Frauenbewegung und porträtierte auch die Frauenrechtlerin Julie Schlesinger. Auch mit Marie Lang und Rosa Mayreder war war die junge Künstlerin bekannt, obwohl sie sich selbst nie politisch für die Sache der Frauen engagierte. Lou Andreas-Salomé wurde zwei Mal von ihr gemalt.

Im Kreis der Wiener Brucknerianer lernte die Malerin den jungen Arzt und Physiker Hugo Koller kennen. Koller, ein Katholik, konvertierte, die beiden heirateten 1896, und sie bekamen zwei Kinder. 1898 übersiedelte die Familie nach Nürnberg. Dort setzte sich Broncia Koller mit grafischen Techniken auseinander. 1903 zog die Familie wieder zurück nach Wien und wohnte nun direkt neben dem Theater an der Wien. Weiters besaßen sie ein Landhaus in Oberwaltersdorf, das von Josef Hoffmann und der Wiener Werkstätte umgebaut wurde. Die Inneneinrichtung des Landhauses gestaltete Broncia Koller gemeinsam mit Kolo Moser. Dieses Haus wurde zu einem beliebten Treffpunkt für Künstler, Philosophen und Intellektuelle wie Franz von Zülow, Alma Mahler, Hermann Broch und Egon Schiele.

Broncia Koller war eine geistreiche Gastgeberin, Mäzenin und Sammlerin. Im Café Museum saß sie neben den Großen, neben Klimt, Moser, Wagner und Munch. Broncia Koller knüpfte Kontakte zu den Secessionisten und beteiligte sich mit der Klimt-Gruppe an den Kunstschauen 1908 und 1909. 1926 wurde sie von Albert Paris Gütersloh porträtiert.

 

buchcover

Im Wiener Brandstätter Verlag ist ein Bildband erschienen, der die Künstlerpersönlichkeit wie auch die private Broncia Koller erstmals in einem größeren Umfang darstellt. Der Autor, Boris Manner, würdigt ihre Leistungen als Malerin und Grafikerin, mehr als 120 Abbildungen bestätigen das Urteil.

Boris Manner: Broncia Koller 1863–1934, Brandstätter, 2006. 272 S., ca. 170 Farb- und s/w-Abbildungen, € 39,90.

 

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Ein Begleiter der besonderen Art

Ein umfangreicher Bildband lädt zu Reisen quer durch das jüdische Deutschland ein.

Um den aufschlussreichen Bildband als Reiseführer mit sich zu tragen, ist er doch zu schwer und umfangreich. Doch weckt das darin Blättern und Schmökern ganz schnell die Reise- und Schaulust.

Synogoge Köln
Köln: Große Synagoge Glockengasse 7,
rekonstruiert Blick von der südlichen
Frauenempore auf den Aron ha-Kodesch

Die beschriebene (und zu planende) Reise führt durch das jüdische Deutschland, an die versunkenen, erhaltenen und wieder aufgebauten Stätten jüdischer Kultur von Schleswig-Holstein bis München, von Düsseldorf bis Dresden und zugleich in die Tiefen des Judentums.

Die informativen Essays über Philosophie, Geschichte, Literatur, Geschichte oder die Wissenschaft vom Judentum und viele andere Themen sind eine fundierte Ergänzung der fundamentalen Frage: „Was ist Judentum?“, beantwortet von Rachel Heuberger, Leiterin der Hebraica- und Judaica-Sammlung der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main.

Vervollständigt wird dieser aufwändig gestaltete und reich bebilde Reiseführer durch sowohl historisch als auch aktuell angelegte Städteporträts und einen alphabetischen Serviceteil, der Gedenkstätten, koschere Restaurants und Hotels und eine Liste aller jüdischen Gemeinden in Deutschland enthält.

An die dreißig prominente AutorInnen haben an diesem einmaligen Werk mitgewirkt, für dessen Qualität die HerausgeberInnen bürgen:

Micha Brumlik, geboren 1947, lebt in Frankfurt und ist Professor für Erziehungswissenschaft an der Universität Heidelberg und Direktor des Fritz-Bauer-Instituts. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und philosophischen Themen unter anderem 1996 "Kein Weg als Deutscher und Jude".

Rachel Heuberger, geboren 1951, studierte Geschichte, Jüdische Geschichte und Pädagogik an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1991 leitet sie die Hebraica- und Judaica-Sammlung der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main.

Cilly Kugelmann, geboren 1947 in Frankfurt am Main, ist Erziehungswissenschaftlerin und seit September 2002 Programmdirektorin des Jüdischen Museums Berlin und Stellvertretende des Direktors. Mitherausgeberin der Zeitschrift Babylon. Beiträge zur jüdischen Gegenwart.

buchcoverlink dumont

Ein schöner, lehrreicher und mit Gewinn zu lesender Band, ob man nun die Reise tatsächlich antreten will oder nicht, ob man Jüdin / Jude ist oder sich nur für das Judentum und für die Menschen, die es tragen, interessiert. Die HerausgeberInnen meinen, dass seit dem Zweiten Weltkrieg („entlang der Holocaustlinie“) Juden, jüdische Kultur und Religion in den Hintergrund getreten sind und den Juden damit wurde ihnen ihre eigene Physiognomie genommen. Aus Juden wurden so – Signum des zwanzigsten Jahrhunderts – ‚die Opfer’. Die mit diesem Buch vorliegende Einladung zu einer Reise durch Raum und Zeit will hinter den ‚Opfern’ wieder die angehörigen einer Religion, einer Ethnie, einer Kultur hervortreten lassen, die seit Jahrhunderten und auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg in einer aktiven, lebendigen Auseinandersetzung mit ihrer – in diesem Fall: deutschen – Umgebung standen, mehr noch : ein Teil ihrer waren. Soweit die HerausgeberInnen.

Wäre schön, wenn es gelänge, einen ähnlichen Führer für Österreich herauszugeben. Die Essays wären problemlos zu übernehmen, Städte, Stätten und Landschaften, wo das jüdische Österreich zu finden ist, sind überschaubarer.   Ditta Rudle

Micha Brumlik, Rachel Heuberger, Cilly Kugelmann (Hg.): Reisen durch das jüdische Deutschland, t, 2006, 480 S., € 51, 30.

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Wer schreibt, erinnert sich

Ditta Rudle über den Schriftsteller und Therapeuten Hans Keilson – eine Entdeckung

H. Keilson

Hans Keilson, Schriftsteller und Therapeut, muss entdeckt werden. Die neue zweibändige Werkausgabe macht die bereichernde Bekanntschaft möglich.

Erst im Juni 2005 hat ihn die deutsche Akademie für Sprache und Dichtung mit dem Johann Heinrich Merck-Preis ausgezeichnet. Da war Hans Keilson bereits 95 Jahre alt.

Immer noch rege und aktiv, kann Keilson, trotz seines hohen Alters, als junger Schriftsteller gelten, wird er doch gerade erst so richtig entdeckt. Zu danken ist diese lohnende und bereichernde Auflesung dem S. Fischer Verlag und den Literaturwissenschaftlern Heinrich Detering und Gerhard Kurz. Gemeinsam haben sie das Werk Hans Keilsons in einer zweibändigen Ausgabe herausgebracht. Sorgfältig editiert, lobt die Kritik.

Keilson, Nervenarzt, Psychoanalytiker und Schriftsteller, wurde am 12. Dezember 1909 als Sohn eines jüdischen Textilhändlers in Bad Freienwalde an der Oder geboren. Über seine Eltern schreibt er, dass sie ihr ehrbares, von äußeren Zwängen bedrohtes Leben, liberal gelöst von der jüdischen Orthodoxie, im Bewusstsein ihrer inneren und äußeren Zugehörigkeit zur gleichgestimmten Gruppe, der sie entstammten, führten. Der Sohn durfte nach Berlin gehen, um Medizin und Sport zu studieren. 1933 erschien sein erster Roman, „Das Leben geht weiter“, bei S. Fischer, das letzte Debüt eines jüdischen Autors im Verlag. Das Buch über seine Jugend in der Zwischenkriegszeit, erinnert sich der Autor, erschien gerade noch zeitig genug, um verboten zu werden. Das Staatsexamen als Mediziner kann er 1934 noch ablegen, doch praktizieren darf der junge Arzt nicht mehr und muss überdies – ein Treppenwitz der Geschichte –nach Kriegsende neuerlich Medizin studieren, da seine deutschen Zeugnisse in Holland nicht anerkannt werden. Bis 1936 arbeitet er noch als Sportlehrer an jüdischen Schulen in Berlin, doch dann gibt er auf. Mit seiner Frau flieht er in die Niederlande, wo er sich als Kinderarzt durchschlägt, holländische Anthologien herausgibt und Gedichte auf Deutsch schreibt. Es gelingt ihm, eine Einreiseerlaubnis für seine Eltern zu erhalten. Dann besetzen die Nazis auch die Niederlande. Die Eltern werden deportiert und ermordet. Keilson muss sich, getrennt von seiner Frau, verstecken. Er lebt im Untergrund und arbeitet als Arzt und Kurier für eine Amsterdamer Widerstandsgruppe.

Buchcover Traumatisierung

Nach dem Krieg gründet Hans Keilson gemeinsam mit anderen Überlebenden die Organisation „Le Ezrat Ha Je led / Zur Hilfe des Kindes“, zur Betreuung jüdischer Waisenkinder, die den Holocaust überlebt haben. Mit den Erkenntnissen aus der Arbeit mit den Kindern beschäftigt sich auch seine Doktorarbeit über die „Sequentielle Traumatisierung bei Kindern“, längst ein Standardwerk und immer wieder neu aufgelegt (Psychosozial-Verlag, 2005).

Die Themenkreise, die Keilson als Schriftsteller am Herzen liegen, haben einen weiten Radius, doch besticht sein literarisches Werk durch einen wohlwollenden, ja nahezu gütigen und vor allem vorurteilslosen Blick auf die Menschen. Keilson fragt nicht nach Schuld, sondern sucht nach Gnade; er predigt nicht Hass, sondern Versöhnung und er ist sich der Gemeinsamkeiten (vor allem des kulturellen Erbes) und Verbindungen von Tätern und Opfern bewusst. Nicht alle seine Leser sind mit dieser versöhnlichen Haltung einverstanden. Hans Keilson weigert sich zwar zu verallgemeinern und neigt mehr zur Analyse als zum schnellen Urteil, doch ist seine Haltung gegenüber verwurzeltem und neu aufkeimendem Antisemitismus eindeutig. Auch der milde Blick hat seine Grenzen. Keine Zweifel gibt es an Keilsons Beherrschung der deutschen Sprache, ein wahrer Souverän, ist er seiner Muttersprache treu geblieben, auch wenn er nun niederländischer Staatsbürger ist.

Dennoch musste er die bittere Erfahrung mit dem Ende der Sprache machen: Ich habe als Arzt und als Psychiater meine erste Erfahrung mit einem Kind, das aus Bergen-Belsen zurückkam, wo es seine Eltern und vier Geschwister verloren hat, diesen Jungen, ich hab’ ihn genau beschrieben in meiner Untersuchung. Das war im November 1945, dass ich dieses Kind sah, einen Jungen von zwölf Jahren, schon also sehr früh, als es zurückkam. Das Gespräch, diese Untersuchung, ist völlig zusammengebrochen, weil ich die Worte nicht fand, die gemäß waren der Sprache, die der Junge im Konzentrations- und Vernichtungslager erfahren hatte... (Dr. Hans Keilson in einem Interview mit Ulrike Müller am 8. 4. 1995. Quelle: www.exil-archiv.de/). Verarbeitet hat Keilson seine Erfahrungen (und seinen Schmerz über eigene Verluste) im Gedichtzyklus „Sprachwurzellos“ und in der Essaysammlung „Wohin die Sprache nicht reicht“. Allerdings wehrt er sich im gleichnamigen Aufsatz gegen Wittgensteins Diktum Worüber man nicht reden kann, darüber soll man schweigen: Ich teile diese Meinung nicht, man sollte es immer wieder aufs neue versuchen. Dass das Leben oft nur mit (bitterem) Humor zu ertragen ist, beweist Keilsons erste Prosa nach Kriegsende. „Komödie in Moll“ ist eine tragikomische Geschichte über einen jungen Juden, der während der Besatzung von einem niederländischen Ehepaar versteckt wird. Als er plötzlich stirbt, muss das Paar die Leiche los werden, ohne dass die NS-Besatzer aufmerksam werden. Nicht nur grotesk sondern auch zutiefst menschlich, wie alles, was Keilson, seien es die Gedichte, die Essays oder die Romane, geschrieben hat, und immer noch schreibt.

Cover Gesamtausgabe

Wenn Hans Keilson sagt Die Literatur ist das Gedächtnis der Menschheit: Wer schreibt, erinnert sich, und wer liest, hat an Erfahrungen teil, so darf das als persönliches Credo gehört werden. Seit 1951 lebt er im holländischen Bussum, einer kleinen Stadt zwischen Amsterdam und Utrecht, betreut holländische KlientInnen und schreibt immer wieder auf Deutsch. Von 1985 bis 1988 war er Präsident des PEN-Zentrums „German Speaking Writers Abroad“, Gastprofessor in Kassel und wurde 1999 korrespondierendes Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Neben seinem Dr. med trägt er auch den Titel eines Ehrendoktors der Universität Bremen.

Hans Keilson: Werke in zwei Bänden. Bd. 1: Romane und Erzählungen, Bd. 2: Gedichte und Essays. Herausgegeben von Heinrich Detering und Gerhard Kurz. S. Fischer, 2005. 1097 S., 66,80 EUR.

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Grüß mich Gott!

Fritz Grünbaum – Eine Biographie

Es wird sicher besser werden, aber erleben werd' ich's nicht.

<F.Gruenbaum>

Diesen prophetischen Satz schrieb der große Kabarettist und Schriftsteller Fritz Grünbaum (1880– 1941) von einem Aufenthalt in Deutschland 1932 an seine Nachbarin. „Überall haucht mich der Hass an um Eigenschaften, für die ich ja gar nichts kann, weil ich sie nicht in mir ausbildete, sondern in sie hineingeboren wurde (Religion und Rasse). Es wird immer ärger und ich fürchte, Ihr schöner Optimismus ist unbegründet. Noch mehr als hierzulande habe ich in Berlin gesehen, wie der gehirnlose Hitlerkopf unaufhaltsam die Herrschaft antritt …“

Grünbaum hatte sich vom apolitischen Kabarettisten über den kaisertreuen Soldaten im 1. Weltkrieg zu einem politisch engagierten, kritischen Republikaner gewandelt. 1914 wurde der Grundstein für Grünbaums politische Wandlung gelegt: So wie viele seiner Kollegen verfiel er der allgemeinen Kriegseuphorie und verfasste Stücke wie die „patriotische Skizze“ Die befohlene Linie ist erreicht. Doch auch hier schimmerte der Kabarettist durch, die Zensur beanstandete einige Formulierungen als zu despektierlich, so die Verwendung von „Franzl Prohaska, Feldwebel“ und „Willy Lehmann, deutscher Offizier“. Diese galten als Decknamen für Kaiser Franz Joseph und Kaiser Wilhelm. Grünbaum meldete sich freiwillig an die Front, nahm an den Isonzo-Schlachten teil und zog nach dem Krieg Resümee – sein Gedichtbändchen Vom seligen Zensor. Demobilisierte Gedichte rechnet mit dem Größenwahn und der Kriegstreiberei ab und zeigt den ehemaligen Hurra-Patrioten Fritz Grünbaum als desillusionierten, aber nicht hoffnungslosen Mann. In der gereimten Widmung an seine Mutter fasste Fritz Grünbaum seine ganze Verzweiflung zusammen:Hätt’ Gott mir seine Macht gelieh’n, Was hätt’ ich alles angestellt! Ich hätte meinen Haß gespien Auf diese Welt!

Ab diesem Zeitpunkt äußerte sich Grünbaum immer öfter politisch – unterschwellig und humorvoll in seinen Conferencen und Kabaretttexten, offen als Chronist in Zeitungsartikeln, offensichtlich in der Wahl seiner Auftrittsorte in den Wiener Außenbezirken.

Im Frühling 1919 schrieb Fritz Grünbaum in einem Vorwort zum Neudruck seiner Textsammlungen „Verlogene Wahrheiten“: Der erste Abdruck der nachfolgenden Gedichte fällt in das Jahr 1912. Seither ist ein Weltkrieg entflammt und ausgebrannt. Länder wurden verwüstet, Völker niedergemetzelt. Kronen fielen. Reiche brachen zusammen. Die Kultur, die Zivilisation haben sich bankrott erklärt. Und aus Not und Tod, Asche und Leichenfelder erhebt die Nachfrage den Ruf nach dem Neudruck meiner Gedichte. So rehabilitiert sich der Krieg: diese Menschheit hat ihn verdient!

Fritz Grünbaum setzte sich mit den politischen Geschehnissen immer stärker auseinander und schrieb 1925 als „Wochenchroniqueur“ für das Wiener Neue 8 Uhr-Blatt eine „Wochenchronik in Versen“. Weltpolitik, Alltagssorgen, Neuigkeiten und Skandale aus der Kunstwelt waren die Themen, die Grünbaum mit spitzer Feder Revue passieren ließ.

1927 initiierte Fritz Grünbaum den Aufruf Eine Kundgebung für ein geistiges Wien. Ein Zeugnis für die große soziale und kulturelle Leistung der Wiener Gemeinde, der am 20. April am Titelblatt der Arbeiter-Zeitung erschien. Unter anderem heißt es darin: Wesen des Geistes ist vor allem die Freiheit, die jetzt gefährdet ist, und die zu schützen wir uns verpflichtet fühlen. Das Ringen um eine höhere Menschlichkeit und der Kampf gegen Trägheit und Verödung wird uns immer bereit finden. Unterzeichner dieses Artikels waren Prominente aus vielen Bereichen, von der Medizin über die Nationalökonomie bis zur Kunst, wie Alfred Adler, Sigmund Freud, Josef Jarno, Hans Kelsen, Wilhelm Kienzl, Alma Mahler, Robert Musil, Alfred Polgar, Franz Salmhofer, Oskar Strnad, Anton Webern, Egon Wellesz, Franz Werfel und eben auch Fritz Grünbaum. Wohl war er nur einer unter vielen klingenden Namen, im Volksmund hieß die Schrift jedoch „Fritz-Grünbaum- Aufruf“. Karl Kraus ließ es sich nicht nehmen, eine Erwiderung im Neuen Wiener Journal zu erwirken, da fälschlich berichtet worden war, dass er die Unterschrift verweigert hätte: Wahr ist, dass Herr Karl Kraus nie aufgefordert wurde, jenen Aufruf zu unterschreiben, wohl aus dem Grunde, weil man der Verweigerung seiner Unterschrift von Aufrufen sicher war.

Die Lage in Deutschland und Österreich wurde immer bedrohlicher, in einem Brief an seine Wiener Nachbarn vom Februar 1930 bekannte Grünbaum seine pessimistische Sicht der politischen Verhältnisse: Ich bin in der Zwischenzeit in Deutschland herumgegondelt: November Berlin, Dezember Breslau, Jänner Berlin, jetzt bin ich in Dresden, März bin ich wieder in Berlin und am 1. April komme ich auf 13 Monate nach Wien (bis 30. April 1931). Hier im Deutschen Reich geht’s genauso reaktionär zu wie in Österreich: Das Bürgertum ist geschlossen antisozial. Man sieht es an der erschreckenden Zunahme der nationalsozialistischen Stimmen (die natürlich nur national und absolut nicht sozialistisch sind!). Es ist ein Jammer, wie sich das Volk immer selbst das Grab gräbt und seinen Ausbeutern Handlangerdienste leistet.

Fritz Grünbaum

Noch deutlicher stand ihm die nahende Katastrophe zwei Jahre später vor Augen, als er den eingangs zitierten Brief verfasste, der mit den Worten schließt: „… wir werden noch durch schrecklich viel Bitternis und Hässlichkeit hindurchmüssen, ehe sich diese Herrschaft des Ungeistes leergelaufen haben wird. Dass dieser Zeitpunkt freilich einmal kommen wird, ist im Augenblick ein schwacher Trost gegenüber der bitteren Tatsache, daß die sinnlose Gewaltherrschaft noch immer im Anschwellen ist. Es wird sicher besser werden, aber erleben werd’ ich’s nicht.“ Grünbaums politische Wachsamkeit zeigte sich auch in seinen Kabarett-Texten: „Sein Sketch ‚Abstimmung‘ hatte die konsequente Verurteilung des Machtwahns der Nazis zum Inhalt: Auf der völlig leeren Bühne stehen ein paar Dutzend würdiger Männer im Gehrock, vor ihnen eine unverkennbare „Führer“-Gestalt. Der Mann mit Schmachtlocke auf der Stirn und Zahnbürste unter der Nase hält eine kurze Ansprache: ‚Meine Parteigenossen! Wir kommen zum Beschluss über ein wichtiges Bevollmächtigungsgesetz! Wer dafür ist, steht auf, wer dagegen ist, setzt sich!‘ Die Begehrockten sehen sich suchend um und bleiben natürlich stehen. Kurze Pause. Dann der Führer mit vollem Munde: ‚Parteigenossen! Das Gesetz ist einstimmig angenommen!‘ – Vorhang!“

Am 10. März 1938 endete die glänzende Karriere Fritz Grünbaums. Sein physisches Ende wurde von Folter, Demütigung und Entmenschlichung begleitet, war er doch den Nazis in besonderem Ausmaß verhasst. Trotz enormer Anstrengungen, ihn außer Landes zu bringen – am US-Konsulat in Wien lagen, wie Friedrich Torberg berichtete, drei gültige Affidavits! –, ließen sich die Nazis immer weitere Schikanen einfallen, um diesen kleinen Mann, der ihnen so oft und mutig die Stirn geboten hatte, zu Tode zu foltern. Fritz Grünbaum hielt lange stand. Sein Leidensweg führte von Dachau nach Buchenwald und wieder zurück. Am 14. Jänner 1941 wurde er besiegt – seine Asche erhielt Lilly Grünbaum per Nachnahme …

Marie-Theres Arnbom

Marie-Theres Arnbom, Christoph Wagner-Trenkwitz: Grüß mich Gott! Fritz Grünbaum 1880–1941. Eine Biographie. Christian Brandstätter, 2005. 224 S. mit ca. 150 Farb- und Abbildungen in duotone.
Als Katalog während der Ausstellung im Österreichischen Theatermmuseum Euro 29. Im Buchhandel als Hardcover, Leinen gebunden: Euro 36,--.

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Chanson für Edith

In Erinnerung an Norbert Glanzberg

Buchcover

Norbert Glanzberg wurde 1910 in Rohatyn bei Lemberg (Galizien) geboren, wuchs aber in Würzburg auf, wo er am Bayerischen Staatskonservatorium seine musikalische Ausbildung erhielt. 1930 ging er nach Berlin, wo er bald erste Erfolge als Filmkomponist feierte.

Nach Hitlers Machtergreifung floh Glanzberg nach Paris, wo er zunächst in einem Flüchtlingsheim unterkam. Nach mühsamen Anfangsjahren als Unterhaltungsmusiker wurden seine Chansons von Lys Gauty und Edith Piaf entdeckt. Mit Hilfe von Edith Piaf und Tino Rossi entkam er der Deportation und überlebte im Versteck. Nach der Befreiung schrieb er Kompositionen für die Weltstars des Chansons wie Edith Piaf, Yves Montand und Petula Clark (Mon Manège à moi, Grand Boulevard, Padam, Padam). Zahlreiche Tourneen führten ihn um die ganze Welt. Großen Erfolg hatte Glanzberg auch mit seiner Musik für Kassenchlager im Kino: Michel Strogoff /Der Kurier des Zaren' (1956 mit Kurt Jürgens),'La sorcière (mit Marina Vlady) und 'La Mariée est trop bell' ('Die Braut ist zu schön' mit Brigitte Bardot).

Ab 1983 wandte sich der Komponist verstärkt seinen jüdischen Wurzeln zu, vertonte 'Holocaust-Lieder' (1984) und komponierte die 'Suite Yiddish' (1985).

Norbert Glanzberg verstarb am 25.02.2001 in Neuilly bei Paris.

Astrid Freyeisen: Chanson für Edith – Das Leben des Norbert Glanzberg
List Verlag , 2005. 280 S., Euro 21,60

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Elfriede Gerstl im Brennpunkt

elfriede gerstl

Die Literaturwissenschafterinnen Konstanze Fliedl und Christa Gürtler haben ein Buch zum Werk der Wiener Autorin Elfriede Gerstl veröffentlicht. In dieser Publikation sind Interviews, Texte zur Autorin, Laudationes, Vor- und Nachworte, Essays, Rezensionen, zwei autobiografische Texte der Schriftstellerin sowie eine ausführliche Bibliografie versammelt. Dadurch erschien, rechtzeitig zum 70. Geburtstag der Autorin, ein Sammelband zur Würdigung eines Werkes, welches Prosa, Lyrik, Essays und Hörspiele umfasst, die seit den 50er Jahren publiziert wurden.

Nicht nur WissenschafterInnen wie Christiane Zintzen, die in ihrem Text "Gast im Kopfhaus" das literarische Werk von Elfriede Gerstl beschreibt sowie deren Lebensumfeld und die Dichterin selbst, oder Wendelin Schmidt-Dengler, der in Anlehnung an Heimito von Doderer Gerstls literarisches Werk als "Stürme im Wassertropfen" bezeichnet, kommen zu Wort, sondern auch LiteratInnen wie Elfriede Jelinek, die eine Laudatio anlässlich der Verleihung des Erich-Fried-Preises für Elfriede Gerstl hielt oder Gerhard Jaschke, Bodo Hell, Andreas Okopenko, Heinz Unger und Herbert J. Wimmer.

Die zwei autobiografischen Texte der Schriftstellerin behandeln das Leben während des Nationalsozialismus in dem Essay "Das kleine Mädchen, das ich war", welcher 1981 im Emma Verlag veröffentlicht wurde, und Biografisches aus der Nachkriegszeit bis zu den großen Preisverleihungen im Jahre 1999 in "Bio2 oder was sonst noch los war". Diese Mischung aus Sekundärliteratur und Primärliteratur macht auf das vielseitige Schaffen von Elfriede Gerstl aufmerksam, die mit Sprachwitz und Ironie ein völlig originales und singuläres Werk geschaffen hat, aber auch auf die vielfältigen Interpretationen ihrer Schriften. Aus verschiedenen Blickwinkeln werden ihre Texte beleuchtet, sei es aus einer philosophischen Betrachtungsweise, aus feministischer Sicht oder aus einer biografischen Annäherung.

Petra M. Springer

Elfriede Gerstl - herausgegeben von Konstanze Fliedl und Christa Gürtler. Dossier Band 18, Droschl 2002, 298,00 S., 31,00 EUR

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Vom Leben und Überleben

Das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück in der Erinnerung

Buchcover

80 km nördlich von Berlin lag das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. Während der nationalsozialistischen Herrschaft wurden 130.000 Frauen aus vielen Ländern Europas dorthin deportiert, gequält und gedemütigt. Viele von ihnen wurden ermordet.

Für jene Frauen, die einen Teil ihres Lebens im Konzentrationslager verbringen mußten, ist Ravensbrück auch nach mehr als einem halben Jahrhundert noch erschreckend gegenwärtig. Die Erinnerungen lassen sich nicht auslöschen.

Für die Überlebenden des Frauenkonzentrationslagers ist das Erleiden des nationalsozialistischen Terrors ein Teil ihrer Lebensgeschichte, dennoch haben die Frauen auch davor und danach eine Geschichte. Diese wurde in bisherigen Studien meist außer Acht gelassen. Im Mittelpunkt des ersten Bandes der Arbeit von Helga Amesberger und Brigitte Halbmayr steht daher eine vergleichende Analyse der Unterschiede in der Sozialisation, in der Verfolgungsgeschichte und in den persönlichen Verarbeitungsstrategien – jeweils eingebettet in den historischen, gesellschaftspolitischen und sozioökonomischen Kontext.

In Band 2 finden sich die Lebensgeschichten der 42 Frauen, angereichert mit Bild- und Dokumentationsmaterial. So bieten die beiden Bände zum einen eine wissenschaftliche Aufbereitung, zum anderen die Erzählung der 42 Lebensgeschichten mit Bildmaterial.

Helga Amesberger / Brigitte Halbmayr (Hg): Vom Leben und Überleben – Wege nach Ravensbrück, Das Frauenkonzentrationslager in der Erinnerung. Promedia, 2001, 2 Bände, je Band € 17,90.
Band 1: Dokumentation und Analyse. 264 S.
Band 2:  Lebengeschichten. 272 S.

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"Herbst 1939 - Yamim Noraim Memorial Book"

von Ze'ev Rebhun

Damit sie nicht vergessen werden. Mit "Herbst 1939 - Yamim Noraim" hat Ze'ev Rebhun, ein Buch zum Gedenken an die osteuropäischen Juden, die in Deutschland lebten, geschrieben. Im Oktober 1938 wurden die meisten polnischen Juden, die in Deutschland lebten, zurück nach Polen ausgewiesen. Im September 1939 zählte man in Deutschland nur noch etwa 2000 polnisch-jüdische Männer zwischen 15 und 65 Jahren. Sie wurden alle nach Dachau, Buchenwald, Sachsenhausen und in andere Konzentrationslager deportiert so dass bereits 1942 nahezu 1800 Männer umgekommen waren. Ze'ev Rebhuns Buch beschreibt das leben der polnischen Juden, die vom Ende des 19. Jahrhunderts an nach Deutschland ausgewandert waren, ihre Stellung als Minderheit – sowohl als Juden wie auch als Fremde gegenüber den Deutschen, sowie das problematische Verhältnis zur alteingesessenen deutsch-jüdischen Gemeinde. Ein Großteil der Texte über das "Shtetl in Berlin" und die Vernichtungslager sind nur in Hebräisch zu lesen. Einen zentralen Bestandteil des genau recherchierten Werke bildet jedoch die Liste mit den Namen und persönlichen Daten der Opfer.

Ze'ev Rebhun:
Autumn 1939 – Yamim Noraim Memorial Book
for East European Jews who lived in Germany.
40 DM einschließlich Versand im Vertrieb von Yad Le Zehava, Holocaust Research Institute, P. O. B. 513,Keumim 44856, Israel. Telefon: 09 7922741; Fax. 09 7922749.
ylzahava@zahav.net.il

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Bücher aus der Edition INW

Flucht in die Freiheit

Der neueste Band aus unserer Edition, vorgestellt im Spetember 2006

Buchcover

„Flucht in die Freiheit“ ist ein Buch über das Leben: Osterreichische Juden erzählen ihre Lebensgeschichten – von der Kindheit in Österreich bis zur Gegenwart in Israel. Sie hatten die Fähigkeit, neue tragfähige Bindungen einzugehen und erlebten ihre Vertreibung trotz widrigster äußerer Umstände nichtnur als passiv erlittenes Schicksal, sondern als einen Weggang und neuen Weg, den sie gestalten konnten und  der sie zu Akteuren werden ließ. In diesen Menschen verkörpert sich auf einzigartige Weise österreichische und israelische Geschichte. Diese wurde in den Erzählungen zur Sprache gebracht und zusätzlich aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven  – Geschichte, Soziologie, Politikwissenschaften und Psychologie – reflektiert.Auf diese Weise entsteht eine ganzheitliche Sicht, die ein neues und tieferes Verständnis der Geschichte und der Beziehungen zwischen Österreich und Israel ermöglicht.

„Flucht in die Freiheit“ erscheint nun genau 50 Jahre nach Aufnahme der diplomatischen Beziehungen.

Die Beziehungen zwischen Österreich und Israel sind seit über einem Jahrhundert  in besonders ambivalenter Weise miteinander verbunden. Zunächst hat der Staat Israel gewissermaßen in Österreich seinen Ausgang genommen: Theodor Herzl, der Gründer der jüdischen Nationalbewegung und der Idee des Judenstaates begann sein politisches Wirken am Ende des 19. Jahrhunderts in Wien. Gleichzeitig gab es einen schleichenden und immer aggressiveren Antisemitismus, der schließlich in der Shoah kulminierte. Trotz allem entschlossen sich die Republik Österreich und der Staat Israel 1956 miteinander diplomatische Beziehungen aufzunehmen. Es dauerte weitere drei Jahre bis die ersten Botschafter ernannt wurden. Auch hier macht der Blick in die Geschichte die Ambivalenz zwischen Antisemitismus undVertrauen deutlich.

Es ist ein Buch über die Zukunft. Weil es die Vergangenheit erinnert und zur Sprache bringt.

Die Menschen, die hier ihr Leben erzählen – stellvertretend für viele andere österreichische Juden – machen unsere Geschichte lebendig und geben mit ihrer Stärke, ihrem Mut und ihrer Liebe Hoffnung für die Zukunft. Die über dreißig Gespräche mit teils sehr prominenten Persönlichkeiten wie Teddy Kollek, Asher Ben Nathan, Moshe Jahoda, Judith Hübner Gershon Shaked und noch einigen mehr führten Roberta Breiter. Chana Bat Dov, Angelika Hagen, Simone Dinah Hartmann, Joanna Nittenberg und Gil Yaron. Ergänzt werden die Lebensgeschichten durch Beiträge von Anton Pelinka, Brigitte Halbmayr, Doron Rabinovici, Felix de Mendelsohn, Ari Rath, Evelyn Adunka, Gabriele Anderl und Yechiam Weitz.

Angelika Hagen, Joanna Nittenberg (Hrsg.): Flucht in die Freiheit, Edition INW 2006. Euro 35,00

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In meinem Salon ist Österreich

Berta Zuckerkandl und Ihre Zeit

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In ihrer Geschichte spiegelt sich die Tragödie von Mayerling ebenso wie das Heraufdämmern der europäischen Katastrophe des zweiten Weltkrieges. Doch die dunklen Stunden wechseln sich ab mit glanzvollen gesellschaftlichen Ereignissen - Berta Zuckerkandl war eine der bemerkenswertesten Frauengestalten Österreichs. Lucian O. Meysels, bekannt als Sachbuchautor und profilierter außenpolitischer Journalist, erzählt in einem packenden und berührenden Buch die Geschichte der "Berufskollegin".

Der Journalismus war Berta Zuckerkandl in die Wiege gelegt. Ihr Vater, Moriz Szeps, war Chefredakteur des "Neuen Wiener Tagblattes". Als wohl engster politischer Berater des Kronprinzen Rudolf hatte Szeps beachtlichen innenpolitischen Einfluß.

Die Freundschaft ihres Vaters zur tragischen Figur des Thronfolgers öffnete Berta das Tor zur europäischen High-Society. Verwandtschaftliche und freundschaftliche Bindungen zum "Tiger" Georges Clemenceau öffneten ihr das Tor zur Weltpolitik, die Heirat mit Emil Zuckerkandl, dem berühmten Anatomen der Wiener Medizinischen Schule, erschloß ihr die Welt der Wissenschaft.

In dieser erweiterten Auflage setzt sich der Autor auch kritisch mit der sensationell anmutenden Theorie des berühmten französischen Historikers und Clemenceau - Biographen Jean-Baptiste Duroselle auseinander, wonach die Heldin dieses Buches nicht die Vertraute, sondern auch die Geliebte des "Tigers" gewesen sein soll.

Lucian O. Meysels: In meinem Salon ist Österreich, 27,00 EUR zzgl. Versand, Edition INW, Bestellung

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Wandlungen und Brüche

buchcover

Aus dem Inhalt

Herzls "Welt" 1897 - 1914

Robert S. Wistrich: Theodor Herzl - Zwischen Journalismus und Politik

Angelika Montel: Herzls Maitresse - Die Gründung der "Welt"

Julius H. Schoeps: Das Gelobte Land fest im Blick

Die Neue Welt / Revue 1927 - 1938

Peter Pulzer: Zwischen Aufklärung und Nationalismus

Silke Hassler: Robert Stricker und die "Neue Welt"

Jakov Lind: Erinnerungen an Berta und Barak

Neue Welt und Judenstaat 1948 - 1974

Erika Weinzierl: Antisemitismus und österreichische Politik

Katharina Demel / Brigitte Halbmayr: Tradition und Neubeginn

Evelyn Adunka: Hermann Hakel und die "Neue Welt"

Asher Ben Natan: Von Wien nach Wien

Illustrierte Neue Welt 1974 - 1997

Anton Pelinka: Jüdische Identität in Österreich

Brigitte Halbmayr / Katharina Demel: Zwischen Israel und Österreich

Doron Rabinovici: Möglichkeiten jüdischer Artikulation.

Eine ausführliche Rezension finden Sie unter: www.judentum.net/europa/herzl.htm

Joanna Nittenberg u.a. (Hrsg.): Wandlungen und Brüche, 32 EUR zzgl. Versand, Edition INW, Bestellung

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Herzl-Nummer

Buchcover

Die Gedenkausgabe zum zehnten Todestag des Zeitungsgründers legt Zeugnis ab, wie sehr Herzls Werk geschätzt wurde - und welch namhafte Persönlichkeiten für die Mitarbeit gewonnen werden konnten.

Die Zeitung hat seither mache Veränderungen erfahren. Es gab - beispielsweise während der Nazizeit - auch Phasen, in denen sie nicht erscheinen konnte.

Variiert wurde auch der Titel. Sie erschien zunächst als "Die Welt", dann als "Neue Welt" schließlich (bis heute) als "Illustrierte Neue Welt", und zwar nach wie vor in Wien.

Die Zeitung zählt zu den lebendigen Denkmälern der Hochblüte Wiens als Kulturhauptstadt. Das belegt dieses historisches Exemplar.

Herzlnummer - Faksimileausgabe anläßlich des 10. Todestages von Theodor Herzl, 21,00 EUR zuzüglich Versand, Edition INW, Bestellung

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Lebensgeschichten

Buchcover

Mit dem Band "In die Tiefe geblickt" hat der Nationalfonds für Opfer des Nationalsozialismus den Geschädigten auch Gelegenheit gegeben, die Geschichte ihres Leids und der Vertreibung offiziell zu erzählen. Der Fonds wurde 1995 gegründet, damit den Opfern des Nationalsozialismus endlich eine Stelle angeboten werden konnte, an die sich wenden konnten. Mit der Broschüre wird es den Leidtragenden auch ermöglicht, über die kleinen materiellen Entschädigungen hinaus, von ihren unermeßlichen Qualen und Schmerzen zu berichten. Nationalratspräsident Dr. Heinz Fischer die Historikerin Prof. Erika Weinzierl, Prim. Dr. David Vyssoki sowie Generalsekretärin Mag. Hannah Lessing würdigen mit ihren Worten die Leistungen des Nationalfonds. Das Buch, erschienen in der INW Edition, bietet nicht nur einen Überblick über die Aufgaben des Nationalfonds, sondern läßt auch die Betroffenen selbst zu Wort kommen. Zwölf persönliche Geschichten erzählen von der schier unbeschreiblichen Tragödie, die sich für Außenstehende dennoch nur erahnen läßt. Das betroffene Wundern darüber, wie diese Menschen nach allem, was vielen von ihnen bereits in der Kindheit widerfahren ist, zum Leben zurückfanden, bleibt bestehen.

"Der Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus kann keine Wiedergutmachung sein, denn es ist eine Hybris zu glauben, man greift in die Staatskasse, nimmt Geld in die Hand und hat damit Wiedergutmachung geleistet". (Nationalratspräsident Dr. Heinz Fischer anläßlich des Gesetzesbeschlusses im Parlament.)

In die Tiefe geblickt - Broschüre des Nationalfonds für Opfer des Nationalsozialismus, € 13,00 zuzüglich Versan. Bestellung bei der Edition INW

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Brücken, Beziehungen, Blockaden

Initiativen und Organisationen in Österreich und Israel seit 1945

In der ersten umfassenden Darstellung von Initiativen, Vereinen und Freund-schaftsgesellschaften, die sich die Pflege und den Ausbau der Beziehungen zwischen Österreich und Israel zum Ziel setzen, werden Entstehungsprozesse und Aktivitäten wissenschaftlicher, kultureller und sozialer Förderorganisationen und deren Wirkung in der österreichischen Öffentlichkeit vor dem Hintergrund der historisch belasteten Beziehungen zwischen Österreich und Israel dokumentiert und analysiert.

Es gibt und gab in Österreich rund 70 einzelne, lokal begrenzte oder auch größere Initiativen und Organisationen, die sich eine Verbesserung der Beziehungen mit dem Staat Israel und seinen EinwohnerInnen zum Ziel setzen. Angeregt und umgesetzt wurden diese Initiativen fast immer von Jüdinnen und Juden, wenn auch in vielen Fällen dank des persönlichen Einsatzes und der finanziellen Unterstützung von nichtjüdischer Seite.

Angesichts der schwierigen diplomatischen Ausgangslage zwischen Österreich und Israel leisteten die Akteure und Akteurinnen bekannter und weniger bekannter Organisationen wie Amcha Austria, die Jerusalem Foundation Österreich oder, als jüngeres Beispie,l des österreichischen Freundeskreises von Givat Haviva einen kreativen wie nachhaltigen Beitrag zur Förderung der bilateralen Beziehungen.

Evelyn Adunka, Dieter Hecht, Sabine Mayr: Brücken, Beziehungen, Blockaden. Initiativen und Organisationen in Österreich und Israel seit 1945. Edition INW, Wien 2007, 300 S., € 24.90 zuzüglich Versand. Bestellung bei der Edition INW

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CD-TIPPS

Lost Causes

Daniel Kahn & the Painted Bird

CD-Cover

Daniel Kahn aus Detroit siedelte 2005 nach Berlin und gründete „The Painted Bird“. Er singt Englisch, Deutsch und Jiddisch und bringt auch auf seinem neuen Album, dem dritten, eine virtuose Mischung aus Klezmer, radikalen jiddischen Songs, politischem Kabarett und Punk Folk.

Ob er Lieder von Bert Brecht / Kurt Weill, eigene Songs, seine Version deutscher Schlager oder adaptierte jiddische Klassiker bringt, immer wird Kahn seinem Ruf als Kult-Klezmorik, bei dessen Musik sich das Publikum unterhält, auch tanzt. Und doch meint Kahn seine subversiven Texte, seine oft punkige Musik ganz ernst.

Er tritt mit seiner Band in Lederjacke mit Hut im Berliner Kaffee Burger auf und singt, rockig, zärtlich, politisch und poetisch, über innere Emigration und den Marsch der Arbeitslosen. Manchmal wird dazu getanzt. „Verfremdungsklezmer“ nennt er das und man darf froh sein die „Laust Causes“, die „Verlorenen Dinge“ gefunden zu haben.

Daniel Kahn & the Painted Bird: Laust Causes, RIENCD 77, Vertrieb in Österreich:Lotusrecords

The Shin

Black Sea Fire

Die Gruppe The Shin wurde 1998 in Deutschland von Zaza Mminoshvili und Zurab Gagnidze gegründet. 2002 schloss sich Mamuka Gaganidze dem Duo an. Die in Deutschland lebenden Musiker gehören mehrheitlich zur künstlerischen Elite Georgiens, haben mit internationalen Größen wie Randy Brecker, Giora Feidman, Gia Kancheli, Jorge Pardo, Chaka Khan, Ramesh Shotham, Okay Temiz, Fuat Saka, zusammengearbeitet, mehrere Workshops in Polyrhythmik, Improvisationstheorie und georgischer Mehrstimmigkeit abgehalten und traten seither bei zahlreichen internationalen Festivals auf.

CD Cover

Der Klangteppich des Trios entsteht durch die Begegnung des musischen Georgien mit der Musik verschiedener Länder und Kulturen. Berühmte georgische Mehrstimmigkeit und instrumentale Virtuosität entfalten sich im Austausch mit Jazz, Scat, Funk und Fusion, Flamenco und Indien, Ravel und McLaughlin.

Im Georgischen bedeutet „Shin“ „nach Hause kommen“. Obwohl jeder von uns seine eigene Heimat und seine persönliche Art hat, nach Hause zu kommen, besitzt die Musik von The Shin die erstaunliche Fähigkeit die Zuhörer auf ganz besondere Art „heim“ zu führen, egal, wie weit es bis dorthin ist. Es kann sein, dass man sich plötzlich irgendwo befindet, wo man denkt, dass man dort schon einmal gewesen ist; wo der Regen die Fenster beschlägt und einem vertraute Gerüche von der Küche in die Nase steigen; wo man Stimmen hört, die man kennt, auch wenn man nicht jedes Wort versteht...

Inspirierte und inspirierende Musik. Chorgesang und Polyrythmik, Jazz und Weltmusik, dörfliche und urbane Folklore verbindet sich zu zu einer temperamentvollen Mixtur, voll mitreißender Spielfreude und klanglichen Überraschungen. In gut 50 Minuten Spielzeit entfaltet sich ein musikalischer Bilderreigen, der die Schwarzmeer-Region in neuem Licht zeigt. Grenzüberschreitende Musik, um die Grenzen in den Köpfen zu überspringen.

Im Rahmen des Wettbewerbs „creole-Weltmusik aus Deutschland 08/09“ wurde auch The Shin ausgezeichnet. Wie die beiden anderen Ausgezeichneten, Aly Keita & The Magaic Balafon und East Affair, erhielt The Shine die vom georgischen Bildhauer Levan Vardosanidze geschaffene creole-Skulptur und einen Geldpreis.
The Shin: Black Sea Fire. JARO Medien, 4279-2

 

Bach arabisch

Sarband und das Modern String Quartet

CD Cover

Bach verjazzt, das kennt man schon lang. Aber Bach orientalisiert? Das ist neu.

Ausgehend von Johann Sebastian Bachs Passionsmusik (Matthäus Passion BWV 244, Johannes Passion BWV 245) hat Validier Ivanoff mit seinem Ensemble „Sarband“ die Musik des Meisters in ganz neuen Zusammenhang gestellt. Unterstützt wird Sarband vom Modern String Quartet und der libanesischen Altistin Fadia El-Hage. „Die Arabische Passion nach J. S. Bach“ ist ein klangrauschendes Erlebnis, das auch die CD bieten kann. Die Verschmelzung von abend- und morgenländischen Harmonien tut dem Thomaskantor keineswegs Unrecht, im Gegenteil, sie lässt stellt Bachs Musik in einen neuen Zusammenhang. Die schriftliche Musiktradition des Westens kommuniziert hervorragend mit der vor allem mündlich tradierten Improvisationsmusik des arabischen Raumes. Ein Erlebnis für sich ist der sanft-stählerne Alt von Fadia El-Hage. Ivanoff legt seine Arrangements weniger kontemplativ als aufwühlend, beschwörend an.

Hat er doch auch ein politisch korrektes Anliegen: Nicht um die Erzählung von den Leiden des christlichen Gottessohnes geht es ihm, sondern um die Erinnerungen die Leiden der Menschen heute, speziell im Irak, was bei den Konzerten auch mit Bildern untermalt wird. Und natürlich geht es in dem Projekt auch um die Verschmelzung der Musikkulturen um das Miteinander des arabisch-europäischen Ensembles. Schließlich bedeutet „Sarband“ in der nahöstlichen Musiktheorie Verbindung, Brücke.

Mag sein, dass von der innigen Gläubigkeit, die aus Bachs Musik und den ihr unterliegenden Texten spricht, kaum mehr etwas spürbar ist, doch ist sehr wohl Raum für Nachdenklichkeit und vor allem für ein Schwelgen in faszinierenden Klängen. dr

Sarband & Fadia El-Hage, Modern String Quartet, Validier Ivanoff: „Die Arabische Passion nach J. S. Bach“, JARO Medien, 4294-2.

Klezmer ganz anders

Partisan & Parasites

Cover

Radikale jiddische Lieder, Traditionals, Punk Cabaret und amerikanischen Folk mischt der in Berlin lebende Amerikaner Daniel Kahn zu einem Klezmer Dance Macabre, zu seinem “Verfremdungsklezmer”. Nike Cave klingt ebenso an wie Bert Brecht, oder Tom Waits. Deshalb nennt er seine Begleitband, alles hochrangige Klezmermusiker, auch Bunter Vogel.

Wenn du einen Vogel mit allen wunderbaren Farben bemalst und ihn dann wieder zu seinem Schwarm schickst, werden ihn die anderen Vögel mitten in der Luft angreifen und attackieren, bis er aus dem Himmel fällt. Tot.

So beschreibt Daniel Kahn seine Musik, mit der er für Unruhe im Reich des Klezmer sorgt. Kahn kümmert sich nicht um Genre-Grenzen und verfolgt mit seinen Liedern auch politische Ziele. Ungewohnte Musik, aufmüpfige Texte, welcher Stil auch immer, Kahns Verfremdungsklezmer ist höchst lebendig. Demnächst wird er mit seiner Band auch in Wien zu hören und zu sehen sein.

Daniel Kahn & The Painted Bird: Partisans & Parasites, Oriente Musik, RIENCD71.

 

Klezmer reloaded

CD Cover

Die Musiker Maciej Golebiowski und Alexander Shevchenko kamen in den neunziger Jahren nach Wien und trafen einander in Leon Pollaks “Ensemble Klesmer Wien”. Bald entschieden sie sich ihre Freude an der Klezmer-Musik auf der Bühne neu aufzuladen. “Klezmer Reloaded”, gibt es nun auch als CD. Die höchst eigene und eigenwillige Musik des Duos Golebiowski (Klarinette) / Shevchenko (Bajan, russische chromatische Knopfharmonika) basiert auf Improvisation und der überraschenden Verbindung der Volksmusik ihrer osteuropäischen Heimat mit orientalischen Klängen und Jazz. Und wenn Golebiowski die Klarinette absetzt und schnell einen polnischen Tango singt, macht das auch nichts. Klezmer weit weg von Giora Feidman, aber immer noch Klezmer.

Shevchenko/Golebiowski: Klezmer reloaded, Extraplatte, EX 781-2

Di Naye Kapelye

Cd Cover

Unermüdlich beschäftigt sich der Musikethnologe Bob Cohen mit den Wurzeln, der Technik und dem aktuellen Stand jüdischer Musik. Nebenbei hat er auch eine Band, “Di Naye kapelye”, gegründet, deren dritte CD jetzt bei Oriente erschienen ist. Viele seiner Mitspieler sind nicht jüdische Ungarn, nur Bob selbst mit der Fiddel und der aus Oregon stammende Kantor Jack (Yankl) Falk bilden eine Ausnahme. Auch mit “Traktorist” beweisen Cohen und seine Musiker, dass jüdische Musik ihre Klischees längst gesprengt hat und durchaus auch funkige, stark rhythmisierte Töne hervorbringt. Die schräge Musik lebt vom Klang osteuropäischer, bei uns weitgehend unbekannter Instrumente: der karpathischen Trommel, der dudelsackartigen Moldavian bagpipe, der Stroh fiddle, die von Augustus Stroh erfundene Kombination aus Violine und Horn oder dem in Ungarn (woher Cohens Familie stammt) gebräuchlichen, der Mandoline ähnlichem Zupfinstrument Koboz.
Im Titelsong, einem um 1950 in Rumänien entstandenem Lied, erklingt feiner jüdischer Humor: "Bitte lieber Traktor, hilf mir doch den Fünfjahresplan zu erfüllen". Bis auf drei neue Gedichte, sind alle von der neuen Kapelle mit zahlreichen Gästen aufgenommenen Songs Traditionals, neu arrangiert von den Musikern.
Di Naye Kapelye: Traktorist. Carpathian Klezmer. Oriente Musik, RIENCD69.

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Klezmer Alliance

Mir Basaraber*

Gruppenbild

Mehr als eine Stunde Leidenschaft, ein wenig Melancholie, sehr viel Fröhlichkeit und eine unwiderstehliche Aufforderung zum Mitsingen und Mittanzen: Wer sich Charme und Feuer der Klezmer Alliance entziehen kann, hat keine Ohren. Die Öffnung Europas in alle Richtungen hat auch die Klezmer Szene grenzüberschreitend werden lassen. Klezmer Alliance ist ein wohltönendes Beispiel dafür. Der Klezmer-Klarinettist und Sänger Bernd Spehl, der Kontrabassist Thomas Fritze und der Gitarrist (und Klezmer-Tänzer) Andreas Schmitges kommen aus Deutschland; die außergewöhnlichen Percussion-Einlagen bietet Guy Schalom aus London (Kritikerurteil: „Der beste Klezmer-Schlagzeuger diesseits des Atlantiks“) und die Krönung der Alliance, der Sänger Efim Chorny, stammt aus Kishinev in Moldawien. Seit seinem sechsten Lebensjahr steht er als Sänger jiddischer Lieder auf der Bühne und hat Wesentliches zur Wiederbelebung jüdischer Kultur in Ost-Europa beigetragen. Er arbeitet als Musiklehrer, Schauspieler, Sänger und Leiter des „jüdischen Volkstheaters“ in Kishinev. Auch wenn man Efim Chorny nicht sieht, ist sein Charisma, seine Begeisterung für das jiddische Lied und seine mit Witz gepaarte Musikalität zu spüren. Seine Landsfrau Susan Ghergus ist der Alliance als Pianistin beigetreten. Zu erfahren ist auf der CD von Klezmer Alliance auch welch begabter Komponist Chorny ist – seine neuen Lieder fügen sich in Tonfall und Text (von Chorny selbst oder meist von Meir Harats) nahtlos in die Reihe der so oft gehörten Traditionals. Als Appetithappen: Cut 16, „Voz Iz A Doyne? Musikgeschichtlich ist die Doina (Doyna) ein improvisiertes Virtuosenstück, das sich im amerikanischen Klezmer-Revival aus einem rumänischen Klagegesang entwickelt hat. Chorny beschreibt die Doina nicht nur mit jiddische lider und jiddische werter, sondern auch mit jiddische brokhe in a jiddische shvues, kurz für den Liedermacher ist die Doina einfach das Jiddische.

CD Cover

*Der CD-Titel (Wir Bessaraber) bezieht sich auf Bessarabien, die historische Landschaft in Südosteuropa, die sich heute weitgehend mit dem westlich des Dnister liegenden Teil Moldawiens (Efim Chornys Heimatland) deckt; der Rest gehört zur Ukraine. Bessarabien war bereits unter Katharina der Großen ein Ansiedlungsgebiet für russische Juden (Aschkenasen), auch Juden aus Deutschland und Polen zogen im 19. Jahrhundert nach Bessarabien, sie brachten die jiddische Sprache mit.

Klezmer Alliance: Mir Basaraber, Oriente Musik, RIENCD65.

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Kroke

Seventh Trip

CD cover

Kroke ist der jiddische Name für die alte polnische Kasierstadt Krakau. Kroke nennt sich die 1992 gegründete Band von Tomasz Kukurba (viola, violin flute, percussion, vois & whistling), Jerzy Baweol (accordion) und Tomasz Lato (double bass). Die drei greifen auf Elemente der jiddischen Folklore zurück, mischen sie aber mit Jazz- und Klassik Elementen. Klezmer ist nur der Ausgangspunkt ihrer Musik. Mit dem Mut zur Veränderung und der Lust am Improvisieren schaffen sie frische, unorthodoxe, überaus originelle Klangwelten. Mit  „Seventh Trip“. dem siebenten Album des Trios, bleiben die Krakauer ihrem Grundsatz, immer nach vorn zu schauen und sich nicht auf das populäre hinunterdrücken zu lassen, treu. Auch wenn der Faden zur alten Klezmer-Musik oft nicht ganz leicht zu erkennen ist, Kroke verstehen sich immer noch als Klezmorim.

Kroke: Seventh Trip, Oriente Musik, RIENCD63

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Edyta Geppert & Kroke

Spiewam Zycie – Ich singe das LeKroke ist der jiddische Name für die alte polnische Kasierstadt Krakau. Kroke nennt sich die 1992 gegründete Band von Tomasz Kukurba (viola, violin flute, percussion, vois & whistling), Jerzy Baweol (accordion) und Tomasz Lato (double bass). Die drei greifen auf Elemente der jiddischen Folklore zurück, mischen sie aber mit Jazz- und Klassik Elementen. Klezmer ist nur der Ausgangspunkt ihrer Musik. Mit dem Mut zur Veränderung und dben

CD Cover

Während das polnische Trio Kroke den Sprung über die Grenzen geschafft hat und längst auch im deutschen Sprachraum bekannt ist, gilt es die Sängerin Edyta Geppert noch zu entdecken.  Mit ihren Liedern und Chansons ist sie in Polen eine feste Größe und füllt landesweit die Konzertsäle. Jetzt hat sie mit Kroke eine CD herausgebracht, auf der sich der unverkennbare rockige Klezmer-Stil von Kroke mit der ausdrucksstarken Stimme der Grande Dame des polnischen Chansons perfekt zusammen fügt. Mit neuen und traditionellen Kompositionen zeigt Geppert, dass sie sowohl das melancholische Chanson wie auch das fröhliche Lied beherrscht. Zu den polnischen Texten der Gedichte, gibt es im Booklet deutsche Anmerkungen.

Edyta Geppert & Kroke: Spiewam zycie – I Sing Life. Oriente Musik, RIENCD61.

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Podolische Affären – gestern und heute

Frelik Sher und Khusidl … Brass Bands aus Podolia, Klezmer und andere jüdische Musik,

gesammelt von Isaak Loberan

cd cover frelik

Der moldawische Musikforscher und Klezmerinterpret Isaak Loberan ist nicht nur Mitglied der Klezmer-Band Scholem Alejchem (Bass, Akkordeon, Piano), sondern auch Forscher. Gemeinsam mit der ukrainischen Musikethnologin Raysa Gusak suchte er auf sechs Forschungsreisen in Moldawien und der Ukraine nach den Resten jüdischer Volksmusik, wie sie in kleinen Dörfern noch lebendig ist. Die Tonaufnahmen wurden nicht mit jüdischen, sondern mit moldawischen und ukrainischen Musikern gemacht. Es sind Stücke, die sie selbst oder noch ihre Väter einst gemeinsam mit jüdischen Musikern gespielt haben. Die Musik bildet einen wichtigen Bestandteil des Hochzeitsrepertoires der Mehrheitsbevölkerung Podoliens und Teilen Moldawiens.

Die Juden aus diesen Gebieten wurden durch den Holocaust und auch durch die Stalindiktatur so dezimiert oder gar ausgelöscht, dass heute keine jüdischen Musikgruppen mehr existieren. Die jüdischen Melodien aber gingen in die Musik anderer Volksgruppen, der Ukrainer, Moldawier und Roma, ein.

Loberan gewann durch eine Feldforschungen eine neue Auffassung über die Entwicklung der Klezmermusik im 20. Jahrhundert, die in den erforschten Gebieten anders verlief als in den Vereinigten Staaten: „Es ist kein Zufall, sondern für diese Gebiete normativ, dass die örtlichen Kapellen jüdisches Repertoire beherrschen.“

Isaak Loberan ist 1947 in Chisinau, der Hauptstadt Moldawiens, geboren, war viele Jahre Konzertmeister des Opernorchesters am Staatstheater von Moldawien. Seit 1991 lebt der Musiker und Komponist in Wien und beschäftigt sich neben seinen Auftritten mit der Erforschung jüdischer Volksmusik in Osteuropa.

Die Sammlung mit Originalaufnahmen podolischer Blasmusikkapellen und SolistInnen ermöglicht eine Vorstellung, wie sich die instrumentalen und vokalen Genres der jüdischen Volksmusik nach der Revolution 1917 und in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in der Ukraine und in Moldawien entwickelt haben. Die ausführlichen Erklärungen im Booklet geben (auf Englisch mit deutscher Zusammenfassung) einen Einblick in Tradition und Entwicklung jüdischer Volksmusik im erforschten Raum.

Der Titel der Archivplatte bezieht sich auf alte jüdische Tanzmusik: Frelik ist ein Viervierteltakt, Sher wird in der Ukraine getanzt, im Zweiviertel- oder Viervierteltakt;  Khusidl ist ein chassidischer Tanz im Zweivierteltakt.

Frelik, Sher und Khusidl … – Brass Bands from from the Phonogrammarchiv of the Austrian Academy of Sciences, Vol. 1; Extraplatte,EX-PHA001.

Mit der neuen CD-Reihe präsentiert das Phonogrammarchiv aktuelle Ergebnisse aus Forschungsprojekten, die mit seiner Unterstützung durchgeführt wurden.

 

Konsonans Retro – A Podolian Affair

cd covoer konsonans

Wie sehr das Interesse an der Geschichte der Klezmer-Musik in der ehemaligen Sowjetunion wächst, zeigt eine weitere CD, die die Hochzeitsmusik Podoliens als frische Weltmusik anbietet. Seit Generationen spielen die Familie Baranovsky und ihre Cousins mit Verve und Leidenschaft und ohne zu ermüden diese Mischung aus moldawischer, ukrainischer und jüdischer Musik. Als die Blaskapelle, die sich Konsonans Retro nennt, den Berliner Meisterklarinettisten Christian Dawid traf, war die Podolische Affäre perfekt. Seitdem sind Konsonans Retro nicht nur in ihrer Heimat aufgetreten, sondern bei vielen Festivals, auch beim Wiener klezMORE  2006 und auch beim Begräbnis des Schauspielers Leon Askin waren sie dabei. Mit ihrer kraftvollen, groovigen Blechmusik haben Konsonans Retro Leben in die Archive geblasen. Wenn die Barabivsjys und ihre Kompagnons auftreten, zucken die Beine und das Herz wird weit. 

Konsonans Retro: A Podolian Affair. Oriente Musik, RIENCD62.

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The Merlin Shepherd Kapelye – Tales from the Kishkes

CD-Cover

Tales from the Kiskes, das sind Erzählungen aus dem Bauch. Merlin Shepherd hat sie geschrieben, um seine ZuhörerInnen zum Tanzen zu bringen, zum Trinken und Singen und zum Nachdenken.

Merlin Shepherd ist ein profilierter und anerkannter Meister der traditionellen osteuropäischen Klezmerklarinette. Aber er ist auch Lehrer, Forscher und ein inspirierter Komponist. Durch seine Lehrtätigkeit in Osteuropa hat er die Musiker kennengelernt, die hier und heute die "Merlin Shepherd Kapelye" bilden: the former Soviet Union Klezmer All Stars - oder, wie Shepherd es ausdrückt, einige der besten Klezmermusiker, die derzeit auf der Welt zu finden sind.

Ich habe noch nie eine Gruppe von Musikern getroffen, die jüdische Musik mit solcher Hingabe, solcher Glaubwürdigkeit, solcher Freude und solch profunder Autorität spielen. Und so ohne Attitüde. Hier also unter meiner Obhut und aus meinen Kischkes, ist jüdische Musik, die annähernd so klingt, wie ich sie manchmal in meinem Innersten höre, und vielleicht auch so, wie sie vor langer Zeit einmal geklungen haben mag. Dem lobpreisenden Urteil des Bandleaders, Komponisten und Erzählers ist nichts hinzuzufügen.

The Merlin Shepherd Kapelye: Intimate Hopes & Terrors. Tales from the Kiskes.
Oriente Musik
( RIEN CD 58)

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The Polina Shepherd Vocal Experience

Baym Taykh

Cd-Cover

Mit dem Klarinettisten Merlin Shepherd zählt seine Frau, die Pianistin und Sängerin Polina Shepherd zu den innovativsten Musikerinnen der Klezmerszene. Sie ist russisch-jüdischer Herkunft und lebt mit Merlin in England. Auf ihrer jüngsten CD „Baym Taykh“ präsentiert Polina mit ihrem Quartett Ashkenazim eine neue Sammlung jiddischer Lieder – Vertonungen aus der „goldenen Epoche“ jiddischer Lyrik zu Beginn des 20.  Jahrhunderts. Der Titel „Vocal Experience“ hat schon seine Berechtigung, überrascht das Ensemble doch durch seine Vielseitigkeit. Avantgardistische jazzige Songs wecheln mit poetischen Balladen ab, mal klingt Polinas Stimme verträumt, mal ausgelassen und voller Lebenslust. Polina Shepherd und ihr Ensemble zeigen, das das jiddische Lied nicht erstarrt ist, sich weiter entwickelt und der Zeit anpasst und immer noch lebt.

The Polina Shepherd Vocal Experience, feat. Quartet Ashkenazim:  Baym Taykh.  Oriente Musik, (RIEN64)

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Karsten Troyke – Tango oyf Yiddisch

Dus Gezang Fin Mayn Harts

Plattencover Tango

Jiddischer Tango, das ist Schlager vom Feinsten, traurig zum Heulen, musikalisch zum Tanzen, zum Mitsingen in der Mameloschn (Muttersprache). Lieder, längst im Volkston, die das Publikum liebte.

Der berühmteste Troubadour des Jiddischen, Benion Witler (1905–1961) sang die alten "Schlagers". Auch sein Zeitgenosse Henry Gerro, Star des jiddischen Theaters, sang Tangos, hatten ihn doch die Ereignisse in Europa nach Argentinien verschlagen. Aus deren Alben und aus anderen Quellen hat der Schauspieler und Chansonsänger, Karsten Bertolt Troyke, eine CD mit jiddischen Tangos, Milongas und Walzern zusammengestellt, die sowohl bei Liebhaberinnen alter Schlager als auch Fans jiddischer Musik wärmstens auf den Plattenteller zu legen ist – sie wird erst wird heruntergenommen werden, wenn die Ohrwürmer fest im Gedächtnis hausen.

Karsten Troyke ist 1960 in Berlin geboren und hat sich vorallem mit jiddischen Liedern einen interntionalen Namen gemacht. Sein Album "Yiddish Anders" erhielt 1992 den Preis der deutschen Schallplattenkritik. Im Jahr 2006 erschienen zwei Dokumentationen mit Troyke in Belgien: "Yiddisch Soul" und "Yiddish Soul - The Concert".

Begleitet wird Troyke vom Trio Scho (Genadi Dessiatnik, Violine / Valeri Khorysman, Akkordeon / Michael Jach, Kontrabass); den Klezmersound liefert in fünf Titeln der Klarinettist Jan Hermerschmidt.

Karsten Troyke: Dus Gezang Fin Mayn Harts – Tango oyf yiddish. Oriente Musik (RIEN CD 59)

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Pjotr Leschenko 1931–37

Gloomy Sunday

CD Cover Leschenko

In den dreißiger Jahren bis in die Fünfziger war der russische Sänger mit dem schmelzenden Tenor Pjotr Leschenko ein wahrer Superstar. Als „König des russischen Tangos“ reiste er durch die Welt, bis er sich in Bukarest ein eigenes Lokal, das „Leschenko“ leisten konnte. In Russland kursierten seine Platten nur im Untergrund. Leschenko ist 1954 gestorben, doch seine Musik lebt weiter. Vor allem durch die Fürsorge des Labels Oriente Musik, wo nun die bereits vierte Leschenko-CD erschienen ist. Titelgebendes Lied ist die Romanze von „Traurigen Sonntag“, ein ungarischer Evergreen, der angeblich schon Selbstmordwellen ausgelöst hat – ein Werther der Musik. Leschenko singt auf Russisch, was sich wieder wegen der Unaussprechlichkeit – Mratschnoje Woskresenje als Titel nicht eignet, so dass der Titel zu „Gloomy Sunday“ globalisiert wurde. Schwerpunkt der CD sind andere traurige Lieder, Tangos (darunter zwei polnische), die Leschenko in den Jahren 1931–37 aufgenommen hat. Damit niemand total in Trübsal versinkt, singt er  auch Fröhliches, russische und ukrainische Folklore. Die sauber restaurierten Aufnahmen dürfen in der Audiothek von Tangofans nicht fehlen –

Pjotr Leschenko 1931-37: Gloomy Sunday. Oriente Musik, RIEN CD 54
Platten von Oriente Musik sind in Österreich von Sound of Music Schallplattenvertrieb zu beziehen.

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Yinon Muallem: Klezmer for he Sultan

CD Cover Sultan

Yinon Muallems Eltern kamen aus dem Irak nach Israel, wo er 1968 geboren wurde. Seit drei Jahren lebt er in Istanbul. Schon früh hat er sich intensiv mit den Perkussioninstrumenten des Mittleren und nahen Ostens beschäftigt (Darbuka, Def, Bendi), aber auch afrikanische Schlaginstrumente interessierten ihn. Später lernte er den arabischen Oud (Kurzhalslaute) spielen. In der Türkei begeisterte ihn der Reichtum der türkischen Musik, die er vor allem in der Zusammenarbeit mit „Istanbul Sazendeleri“, einem berühmten türkischen Ensemble, kennen lernte. So entstanden die Kompositionen für den Sultan, Weltmusik, wie sie feiner nicht sein könnte. Die Titel gebende Nummer ist eine Mischung aus jiddischer und türkischer Musik. Der Klezmer-Part ist das Stück „Fun Tashlikh“, des bedeutenden Klezmer-Klarinettisten Naftule Brandwein, der in den 1920er Jahren die Klezmer-Musik nach Amerika brachte. Für Yinon Muallem spielt der israelische Klarinettist Eyal Sela das Solo. Der türkische Teil des Stückes ist ein Köçekçe, ein Tanzstück aus dem ottomanischen Reich, bei dem der männliche Tänzer als Frau verkleidet sich im 9/8 Rhythmus bewegt.

Yinon Muallem: Klezmer fort he Sultan. Oriente Musik (RIEN CD 53)

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The Strauss/Warschauer Duo: Rejoicing

Yiddish Songs & Klezmer Music

Cd-Cover

Die Geigerin Deborah Strauss und der Gitarrist Jeff Warschauer, sowohl virtuos im Konzertsaal wie auch pädagogisch an amerikanischen Unviersitäte, sind Koryphäen der Yiddishen Musik. Ihre jüngste CD nennen sie „Rejoicing – Freudenfest“ und wenn auch nicht alle Lieder lauthals fröhlich sind, so besticht das gesamte Konzert doch durch eine heitere Leichtigkeit und ein schwebendes Einverständnis der beiden Partner.

Strauss / Warschauer haben Traditionals neu arrangiert, eigene Kompositionen hinzugefügt. Beide singen, solo und im Duett und Jeff Warschauer greift auch zur Mandoline und einmal bläst er sogar das Horn. „Rejoicing“ bekennt sich zwar auf dem Cover zur „Klezmer Music“, hat aber mit dem von der Popmusik vereinnahmten üblichen Klezmer-Junk nichts gemein. „Rejoicing“ ist ein subtiles, leises Konzert, dem man die Freue am Musizieren der VirtuosInnen. vor allem am gemeinsamen Musizieren, anhört.

The Strauss/Warschauer Duo: Rejoicing. Yiddish Songs & Klezmer Music. Exraplatte (EX-ED 019 005)

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Ruth Yaakov Ensemble: Ziara – Die Pilgerfahrt

Sefardische Frauenlieder des Balkans

CD Cover Yaakov

Wie so vielen Interpretinnen haben es auch Ruth Yaakov die Lieder der Sefarden, der aus Spanien und Portugal vertriebenen Juden, angetan. Sie beschäftigt sich jedoch besonders mit Liedern, in denen es um die sefardischen Frauen geht, die mit ihren Familien in das Osmanische Reich, rund um das Mittelmeer und den Balkan geflohen sind.

Für ihre zweite CD, „Ziara – die Pilgerfahrt“ hat sie gemeinsam mit ihrem Ensemble die überlieferten Songs behutsam arrangiert und ihnen mit Instrumenten wie der Ud, der arabisch-spanischen Laute, oder der Baglama, der türkischen Gitarre, einen reizvollen orientalischen Klang verliehen. Die Texte der Lider sind in Ladino, der Sprache die die Flüchtlinge in ihrer alten Heimat, der iberischen Halbinsel sprachen; die Melodien spiegeln die Kultur der neuen Heimat, wider. "Ziara", der Titel der CD bedeutet: die Pilgerfahrt.

Eine Begegnung von Orient und Okzident. Wenig bekannte jüdische Musik ohne Klezmer-Sound.

Ruth Yaakov stammt aus Israel und studierte an der Rubin Akademie für Musik in Tel Aviv. Im Jahr 1993 gründete sie das Ruth Yaakov Ensemble.

Ruth Yaakov Ensemble: Ziara – Sephardic Women's Songs of the Balkans, Oriente Musik , RIENCD52
Internetbestellung: www.oriente-express.de. Bestellnummer: 10052 / €14,99
Vertrieb in Österreich: Sound of Music Schallplattenvertrieb

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Letzte Änderung: 10.11.2012
Webmeisterin+Redaktion: Mag. Ditta Rudle
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