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Großbritanniens Beitrag zum Untergang des europäischen Judentums

Der Überfall Hitlers auf Polen am 1. September 1939 war der fatale Auftakt zum großen Vernichtungskrieg Europas – historisch „elegant“ Zweiter Weltkrieg genannt. Die vielen Millionen europäischer Juden, seit Antritt der Annalen der Geschichte am ganzen Kontinent zu Hause, fühlten, dass ihre letzte Stunde gekommen war und suchten atemlos und wahllos Möglichkeiten zur Flucht, wohin auch immer – nur um zu überleben.
Großbritannien als Ort des Auswegs und der Flucht war als Insel nicht nur geografisch für die Bewohner des Kontinents schwer erreichbar: Das Königreich hatte mit Anfang des Krieges den Juden, die dort Schutz suchten, Hindernisse in den Weg gelegt. Die Aufnahme war sehr beschränkt, auch weil viele andere Flüchtlinge ankamen, u.a. nichtjüdische Deutsche, von denen man nicht wusste, ob sie vielleicht Nazis waren.
Diese Situation und die Anzahl der Flüchtlinge – etwa 50.000 Personen –, die bereits das Land füllten, veranlassten die Engländer, ihren Plan so rasch wie möglich umzusetzen: Weg mit den Flüchtlingen aus dem Königreich! Trotz Krieges auf den Meeren und Gefahren aller Art in den Ländern rundherum wurden die Ziele bestimmt, wohin tausende geflüchtete Juden in Großbritannien verbannt und verschickt werden sollten: Die Ziele hießen Australien, Kanada und die Insel Mauritius – alles englische Kolonien. Die Aufteilung der in Großbritannien einstweilen untergebrachten Flüchtlinge erfolgte, sobald die Schiffe zur Verfügung standen.
Die erste Katastrophe erfolgte gleich bei Abfahrt des ersten, mit Emigranten vollgestopften, Schiffes nach Kanada: Die Arandora Star wurde am 2. Juli 1940 von einem deutschen U-Boot im Atlantik versenkt – eine der ersten Schiffskatastrophen des Zweiten Weltkriegs, die das Leben von mehr als 800 Flüchtlingen kostete.
Die Überlebenden, die überzeugt waren, in Kanada den Schock des Angriffs mit Eintritt in ein neues Leben überwinden zu können, wurden in ein anderes Schiff verladen und mussten bald feststellen, dass sie auf dem Weg nach Australien waren.
Dieser lange Weg ins ferne Ungewisse war nicht die einzige Erfahrung der auf mehrere Schiffe aufgeteilten Flüchtlinge, bis sie endlich in Australien ankommen konnten. 60 Kriegstage mussten die Flüchtlinge auf den Ozeanen überwinden, bis sie endlich wieder Festland unter den Füßen hatten – und sie fühlten sich so erlöst, dass sie sich gar nicht die Schwierigkeiten vorstellen wollten, die sie in der neuen Welt erwarteten und die damals kaum etwas besaß, das an Europa erinnerte. Aber es gab keine Nazis mehr. Es schien der Beginn eines neuen Lebens für tausende Juden zu sein, die auf diese Weise – noch mitten im Krieg – den Deutschen hatten entrinnen können, während 6 Millionen Juden, die aus Europa nicht herauskommen konnten, vernichtet wurden.
Die Engländer, die etwa 50.000 Juden über die Ozeane schickten in eine neue, fernen Welt, um deren Leben zu retten, haben sich dennoch bei der Ermordung des europäischen Judentums mitschuldig gemacht – eine selten erwähnte furchtbare Tatsache.
Die Juden, denen es gelungen war, trotz Schwierigkeiten und Ängsten nach Großbritannien zu fliehen, um von dort aus Europa und dem sicheren Tod zu entrinnen, waren etwa 10% des europäischen Judentums, während das restliche der Vernichtung nicht entkommen konnte, obwohl es eine Rettung hätte sehr einfach geben können: Seit 1920 war Palästina britisches Mandatsgebiet, das die Engländer quasi wie eine Kolonie beherrschten. Dennoch reduzierten sie ab 1939 die Einwanderung der Juden ins Heilige Land auf null, um den Arabern entgegenzukommen.
Was man von Hitler zu erwarten hatte, wusste man. Was England tat, um die Shoah zu verhindern, war politisch eingeführter kalter Mord. Kein Jude hätte unter schwierigsten Umständen bis Australien effektiv laufen müssen, um sein Leben zu schützen. Der Großteil der europäischen Juden hätte nur bis Palästina fahren müssen, um seinen Mördern zu entrinnen.
Im Staat Israel leben heute mehr als 7 Millionen Juden. 1939 hätte es genügt, 5 Millionen dort unterzubringen. Was man von Hitler zu erwarten hatte, wusste, wie gesagt, die ganze Welt, und besser als alle anderen wusste es das britische Königreich, das damals den Mittleren Osten beherrschte. Die europäischen Juden hätten alle gerettet werden können mit der Aufhebung des gerade – rein politisch motivierten – eingesetzten Weißbuches (britisches Dokument für die Regelung der Bevölkerung im Mandatsgebiet).
Ich kenne niemanden, der bis zum heutigen Tag den Engländern diese bittere Wahrheit, die sie nie bereut haben, klar gemacht hätte. Sogar die Juden haben ihnen bis heute diese Form der Teilnahme am Massenmord offenbar nie vorgehalten.
Wie sieht es heute nach 80 Jahren aus?
Nach dem Untergang eines der Schiffe aus dem Besitz Großbritanniens, welche Juden aus Europa in die Ferne verbannen sollten, wurden diese nach Australien und auf die Insel Mauritius verschifft. Die langen und gefährlichen Reisen demoralisierten die Flüchtlinge, sie waren ständig in Angst bei der Überquerung der Ozeane, weil sie an das erste und untergegangene Schiff bei ihrer Abfahrt aus Europa bange zurückdenken mussten. Schließlich konnten sie in Australien landen und versuchen, in dem noch nicht aufgebauten Kontinent eine neue Existenz zu gründen. Viele andere Juden landeten in dem noch nicht entwickelten Mauritius unter besonders schweren Umständen. Fehlende Infrastruktur und das Klima peinigten die Neuankömmlinge, und viele von ihnen überlebten die Umstände nicht. Sie starben auf der fernen Insel, die heute unzählige Sommerurlauber begeistert. Australien entwickelte sich und wurde eine neue Heimat für die dorthin verbannten Flüchtlinge – darunter auch viele Juden aus Österreich. Dass ihnen das gelang, ist nicht den Briten zu verdanken, weil sie diese unter Lebensgefahr und unmenschlichen Zuständen in diese neue Welt gezwungen hatten, während in Europa erst gar nichts versucht wurde, um das Judentum zu retten. Das Heilige Land hätte geöffnet werden können, um sie alle aufzunehmen.
Großbritannien sollte für diese Form der Teilnahme am Massenmord endlich in voller Einsicht geradestehen.

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