September / November 2010

Rosch Haschana 5771

Coverbild
Yitzhak Tal: "Leuchtende Stadt", 2005.
Der Künstler kam 1954 nach israel und
lebt heute im nördlichen Teil des Negev

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An die Arbeit

Friedensgespräche in Washington

Die Eröffnung direkter Friedensgespräche zwischen Israelis und Palästinensern hat erste handfeste Ergebnisse erzielt und den Rahmen der Verhandlungen festgelegt. Doch auch die Verhandlungsgegner haben begonnen, sich zu organisieren.

Die feierliche Zeremonie zum Auftakt direkter Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern begann im State Department in Washington mit einem Patzer: Als US-Außenministerin Hillary Clinton vor zig laufenden Kameras zu sprechen begann, konnte niemand sie hören. Das versagende Mikrofon wurde schnell repariert. Fraglich bleibt, ob es den Amerikanern gelingen wird, den Nahostkonflikt ebenso zügig zu schlichten.

Im Nahen Osten waren vor allem Hardliner hörbar. Im Iran wurde die Bevölkerung dazu aufgefordert, gegen Israel und die Verhandlungen zu demonstrieren. „Die Völker der Region werden nicht gestatten, auch nur einen Zentimeter palästinensischer Erde an den Feind zu verschachern", sagte Präsident Mahmud Ahmadinejad auf einer Veranstaltung vor der Universität in Teheran. Die Verhandlungen seien „dem Untergang geweiht“. Seit der islamischen Revolution 1979 ist der letzte Freitag im Fastenmonat Ramadan, der sogenannte „Jerusalem Tag", Kundgebungen gegen Israel und seine westlichen Verbündeten gewidmet. Dementsprechend hoch waren auch die Spannungen in Jerusalem, wo zehntausende Muslime zum Gebet auf den Tempelberg drängten, während tausende Juden in Vorbereitung ihrer Neujahrsfeiern zur Klagemauer in unmittelbarer Nähe strömten. Abgesehen von Spannungen an den Einfahrten Jerusalems, an denen die Polizei Palästinenser unter dem Alter von 50 Jahren die Einreise in die Stadt verwehrte, blieb die Lage jedoch ruhig. Im Gazastreifen richteten 13 palästinensische Widerstandsorganisationen ein gemeinsames Hauptquartier, um fortan ihre Angriffe auf Israel zu koordinieren. Abu Obeida, Sprecher des bewaffneten Arms der radikal-islamischen Hamas, sagte, damit habe eine „neue Phase fortgeschrittener, gemeinsamer Anstrengungen" begonnen. „Wir werden die Gespräche nicht zulassen.

Der bewaffnete Widerstand wird das letzte Wort haben", sagte Obeida. In Washington herrschte hingegen vorsichtiger Optimismus: Israels Premier Benjamin Netanyahu und der palästinensische Präsident Mahmud Abbas zogen sich für ganze zwei Stunden zu einem Gespräch unter vier Augen zurück, berichtete US-Sondergesandte George Mitchell stolz. Sie hätten eine „herzliche Beziehung", die Atmosphäre sei „positiv und konstruktiv". Es gab auch handfeste Resultate: Man einigte sich darauf, fortan alle zwei Wochen im Nahen Osten zu Gesprächen zusammenzukommen,  im Beisein der USA.

Schon bald wollen Israelis und Palästinenser in Jericho die Gespräche wieder aufnehmen, um den nächsten Gipfel in Scharm al-Scheich in Ägypten Mitte September vorzubereiten. Abbas und Netanyahu hätten zugestimmt, innerhalb eines Jahres einen Rahmenvertrag auszuhandeln, sagte Mitchell. Dieser Vertrag solle die Kompromisse in „allen Kernfragen" festhalten. Details sollten danach von den Verhandlungsteams ausgehandelt werden. Netanyahu sagte später in privaten Unterredungen, in dieser Phase seien keine großen Verhandlungsteams notwendig. Jetzt müssten die Chefs entscheiden. „Die Presse will Schlagzeilen, ich will einen Vertrag", sagte Israels Premier. Netanyahu und Abbas sagten unabhängig voneinander, dass sie den Rahmenvertrag ihrem Volk zur Abstimmung vorlegen würden. Bis dahin ist der Weg aber noch weit. Deswegen brach Clinton die historische Pressekonferenz nach nur knapp 15 Minuten bereits ab. „Wir gehen jetzt an die Arbeit", sagte sie, bevor die Verhandlungsteams sich gemeinsam zurückzogen.

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Eidgenössische Kooperation

Die Schweiz als Steigbügelhalter des iranischen Regimes

Die Schweiz ist Anfang des Jahres durch ein Plebiszit über ein Minarett-Verbot in die internationalen Schlagzeilen geraten. Würden sich die Schweizer aber wirklich Sorgen um ein Vordringen des radikalen Islam machen, hätten sie wahrlich kein Volksbegehren gegen Minarettbauten zu veranstalten brauchen. Von den Milliardenbeträgen arabisch-islamischer Autokraten einmal abgesehen, die auf Schweizer Banken liegen und deren Beschlagnahmung bekanntlich noch kein Politiker der Schweizerischen Volkspartei gefordert hat, müsste sich eine sinnvolle Kritik der islamischen Erweckungsbewegung auch in der Schweiz gegen die hemmungslose Kollaboration von Politik und Wirtschaft mit der „Islamischen Republik" im Iran wenden. In wenigen europäischen Ländern wird die Kooperation mit dem iranischen Regime dermaßen unverfroren betrieben wie in der Schweiz. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten konstatiert: „Der Iran und die Schweiz pflegen gute bilaterale Beziehungen." Und die iranische Botschaft in Bern ergänzt: „Die Beziehungen der Islamischen Republik Iran zur Schweizerischen Eidgenossenschaft entwickelten sich (...) sehr gut und freundschaftlich."
Seit 1980 nimmt die Schweiz die konsularischen und diplomatischen Interessen der USA im Iran wahr, seit 1979 jene des Iran in Ägypten. Trotz seiner guten Beziehungen zum Regime blieb aber auch die Schweiz nicht davon verschont, dass die Schergen der Teheraner Machthaber auf ihrem Territorium Jagd auf iranische Oppositionelle machten. 1990 wurde Kazem Rajavi, der ältere Bruder des langjährigen Führers der Volksmojahedin und Sprecher des Nationalen Widerstandsrates Iran, Massoud Rajavi, in Coppet bei Genf ermordet.
Nach 1979 war die Schweiz das vierte Land, in das die Ajatollahs einen neuen Botschafter entsandten. In den vergangenen Jahren kam es wiederholt zu hochrangigen gegenseitigen Besuchen. 2000 kam der iranische Außenminister Kamal Kharrazi nach Bern, 2001 sein Stellvertreter Ali Ahani. 2001 und 2003 reiste der Schweizer Wirtschaftsminister in den Iran, 2001 und 2002 der Außenminister. Im April 2009 empfing Bundespräsident Hans-Rudolf Merz Mahmoud Ahmadinejad in Genf. Während Ahmadinejads Hetzrede bei der UN-Antirassismuskonferenz blieben die schweizerischen Vertreter als geduldiges Publikum im Saal sitzen.
Die guten politischen Beziehungen liefern ebenso wie in Österreich auch in der Schweiz die Grundlage für enge Kontakte im ökonomischen Bereich. 1998 wurde ein Investitionsschutzabkommen geschlossen, 2002 eines zur Doppelbesteuerung und 2004 ein Luftverkehrsabkommen. Ein 2005 unterzeichnetes Handelsabkommen harrt noch der Ratifizierung. Seit 2003 führt die Regierung in Bern offiziell einen „Menschenrechtsdialog" mit dem iranischen Regime, um den hervorragenden Wirtschaftskontakten einen humanitären Anstrich zu verleihen, was ihr bisher allerdings nicht einmal in der Schweiz selbst gelingt.

Lesen Sie den gesamten Artikel von Stephan Grigat, Lehrbeautragter für Politikwissenschaft an der Universität Wien, in der Printausgabe der INW.

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Das Wunder von Jerusalem

Gil Yaron über das Isreal Museum

Das Israel Museum in Jerusalem gilt als das staatliche Nationalmuseum. Es wurde 1965 eröffnet. Nach seiner Renovierung zeigt es auf einem Raum von 20.000 m2 einen kleinen Teil seiner 500.000 Exponate, insgesamt erstreckt sich das Gelände über 58.000 m2. Obschon sie sich mit Einrichtungen wie dem British Museum in London (sieben Millionen Exponate) nicht messen kann, ist die Sammlung selbst im Vergleich zu weltberühmten Museen wie dem  Louvre in Paris (380.000 Werke) oder dem MOMA in New York (150.000 Werke) umfangreich. Ihre Besonderheit ist, dass sie sich über eine besonders große Zeitspanne erstreckt. In den Gebieten der Judaika, Archäologie und DADA gilt das Museum in Jerusalem als weltführend. Nach jahrelangem Umbau hat das Israel Museum in Jerusalem wieder seine Tore geöffnet. Der Umstand, dass das 100 Millionen US-Dollar Mammutprojekt pünktlich beendet wurde und die geplanten Kosten nicht überstieg, sorgten in Israel für Furore. Besucher dürfte jedoch eher die einzigartige Vielfalt der neuen Ausstellung interessieren.

Skulptur
Vor dem Israel Museum: Skulptur aus
poliertem Stahl von Anish Kapoor, 2010

James Snyder, Direktor des Israel Museums in Jerusalem, hat Wort gehalten und eine logistische Meisterleistung vollbracht. Vier Jahre lang arbeiteten hier zeitweise 450 Arbeiter aus sieben Ländern daran, den Plänen zweier Architektenbüros Gestalt zu geben. Rund 100 Millionen US-Dollar kostete der Umbau von Israels wichtigstem Museum, nur 17,5 Mio. davon waren Steuergelder. Gänzlich untypisch für diesen Teil der Erde hat Snyder sein Bauvorhaben, eines der größten im Nahen Osten, nach Plan vollendet. Das einzigartige Museum in den Hügeln Judäas heißt seine Besucher jetzt wieder willkommen.
Snyder ist für Israel genau so untypisch wie die planmäßige Eröffnung seines Museums: In einem Land, in dem ein sauberes T-Shirt und Jeans bereits als schicke Kleidung betrachtet werden, hat Snyder seine amerikanische Kleiderordnung beibehalten.

Der freundlich lächelnde Mann trägt weiterhin gebügelte Hemden und Stoffkrawatten. Im Gegensatz zu den Einheimischen fuchtelt er beim Reden nicht mit den Armen, sondern spricht leise und bescheiden. Trotzdem weiß er anscheinend ganz genau, wie man hier seine Ziele erreicht: „Präsident Shimon Peres nannte mich bei der Eröffnung einen Dickkopf – im positiven Sinn", sagt Snyder. „Es war uns wichtig, mit dem Umsatz dieses Baus ein Beispiel zu setzen. Wir fühlten uns unseren Spendern persönlich verpflichtet."
Manche mögen es als Abstieg betrachtet haben, als der ehemalige stellvertretende Direktor des Museum of Modern Art in New York 1997 zum Leiter des Israel Museums in Jerusalem wurde. Snyder sieht das anders: „Das Museum in Jerusalem ist außergewöhnlich", sagt er.  „Es ist das einzige Museum auf der Welt, das eine Sammlung besitzt, die fast die gesamte Geschichte der Menschheit erfasst, von der Frühgeschichte bis zur modernen Kunst. Die Leitung erkannte von Anfang an die universale Aufgabe dieser Einrichtung. Deswegen ist die Sammlung so breit gefächert."

Die 500.000 Ausstellungsstücke sind in vier Bereiche aufgeteilt. Die Archäologische Abteilung enthält die größte Sammlung von Funden aus dem Heiligen Land in der ganzen Welt. Hier befinden sich diverse Highlights, die das moderne Verständnis der Bibel revolutioniert haben. In einem Schaukasten aus Italien schimmert edel die Tel Dan Stele aus dem 8. Jhr. v. Chr., die früheste Erwähnung des Könighauses Davids. Unweit von hier sieht man einen Fußknochen, der von einem Nagel durchbohrt wurde, an dem noch Holzsplitter nachweisbar sind – der einzige Beweis weltweit für die Praktik der Kreuzigungen im alten Rom. Inschriften aus dem Zweiten Tempel zu den Lebzeiten Jesu, ägyptische Sarkophage, frühchristliche Funde und islamische Gebetsnischen ergänzen das Bild. Bekanntes erhält hier neu Bedeutung: Wer weiß schon, dass die ionischen Säulen der Griechen, später eine Grundfeste europäischer Baukunst, ihren Ursprung wahrscheinlich in den Säulen des ersten Tempels in Jerusalem haben, in dem sie stilisierte Palmen darstellten. „Jerusalem ist der Geburtsort der drei monotheistischen Religionen und der Ort, an dem die alten Zivilisationen aufeinander trafen. Sie alle haben hier ihre Spuren hinterlassen und voneinander gelernt. Allein deswegen hat dieses Museum universale Bedeutung", sagt Snyder. Ein Anspruch, dem das Haus mit großen Ausstellungen südamerikanischer und Fernasiatischer Kunst und Kultur gerecht werden will.

Die universale Botschaft kommt auch in dem Flügel der Judaika zur Geltung, der größten Sammlung jüdischer Kulturgegenstände weltweit. Das Museum legte Wert darauf, nicht nur die gemeinsamen Merkmale verschiedener Gemeinden hervorzuheben, sondern auch den Einfluss der Umwelt auf die jüdische Kultur aufzuzeigen. So gleichen sich die Channukkaleuchter in dieser Sammlung darin, dass sie Platz für neun Kerzen haben. Aber ein französischer Leuchter aus dem 14. Jahrhundert ahmt die Rosette der Notre Dame-Kirche nach, während Leuchter aus arabischen Ländern islamische Motive beinhalten.
Doch nicht nur Judaika und Archäologie, auch in der Kunst ist das Museum in Jerusalem Weltspitze: „Wir haben die größte Sammlung von Dada in der Welt, und sind deswegen in der Forschung dieses Themas führend", sagt Snyder stolz. Spenden haben die Sammlung um zahlreiche Impressionisten und Klassiker bereichert. Dank Snyder widmet sich das Museum nun auch der modernen israelischen Kunst. Als wäre das nicht genug, bietet das Museum mit einem 2000 Quadratmeter großen Modell, im Maßstab 1:50, eine beeindruckende Darstellung Jerusalems zu den Lebzeiten Jesu. Im Schrein des Buches befinden sich außerdem die Qumranrollen, die ältesten biblischen Schriftstücke der Welt.

Um für all diese Ausstellungsstücke Platz zu schaffen, wurden der Raum für Exponate fast verdoppelt und erstreckt sich über 20.000 m2. All dies, ohne die historische originale Außenhaut der Gebäude zu verändern. Stattdessen gingen die Architekten aus New York und Tel Aviv in die Tiefe. Von Milchglas gezähmt, durchflutet Jerusalemer Tageslicht die frisch klimatisierten Räume, deren kühle
Betonwände warm ausgeleuchtet werden. Moderne Technik ist didaktisch mit Jahrtausenden alten Ausstellungsstücken verzahnt. Große Panoramafenster schaffen einen fließenden Übergang zwischen innen und außen, eine natürliche Verbindung zwischen den Ausstellungsstücken und den Bergen Judäas, in denen sie gefunden wurden.

Israelmuseum

In einer Stadt, in der Geschichte immer auch eng mit Politik verknüpft ist, scheut Snyder sich nicht, mit seinem renovierten Museum eine Botschaft an seine Nachbarn zu schicken: „Dieser Ort ist allen Kulturen der Welt gewidmet. Alle sollen hier ihren Ausdruck finden. Auf dieser Basis wollen wir eines Tages auch wieder mit den Palästinensern zusammenarbeiten.

Israel Museum, Ruppin Boulevard, Jerusalem. Nähere Informationen: info@imj.org.il

Der Unbequeme

Anton Pelinka über die Biografie Simon Wiesenthals

Er hatte viele Freunde. Aber vielen – noch mehr – war er auch ganz einfach unbequem. Dass ihn (mehr oder weniger ehemalige) Nationalsozialisten hassten, weil sie ihn fürchteten, liegt auf der Hand. Aber Simon Wiesenthal war auch so vielen lästig, weil er ein Stachel war. Er erinnerte diejenigen – Juden und andere, dass der Preis zu hoch war, der für ein Arrangement mit einer Schlussstrich-Gesellschaft zu zahlen gewesen wäre. 1945 war eben keine „Stunde Null”, bei der ein neues Buch aufzuschlagen war. 1945 und die Jahre danach waren die Fortsetzung dessen, was in dem Verbrechen gegen die Menschheit kulminierte hatte, das Yehuda Bauer „unprecedented” nennt: Der Holocaust – nicht einmalig, sondern erstmalig; und eben deshalb wiederholbar.

Simon wiesenthal
Simon Wiesenthal

Tom Segev erzählt die Geschichte des Mannes aus dem altösterreichischen Galizien, der als polnischer Staatsbürger von der Vernichtungsmaschinerie erfasst worden und diese – zufällig, wundersam – überlebt hatte; die Geschichte Simon Wiesenthals, der als Überlebender polarisierte: Österreich, wo es einen Konsens gab, möglichst rasch zu vergessen; das Judentum, in dem Fraktionen und Strömungen pro- und anti- Wiesenthal agierten; den Staat Israel, der mit einem Zionisten Probleme hatte, der nicht in Israel leben wollte. Doch am Ende seines Lebens war aus dem Polarisierer der weise alte Mann geworden – geehrt von der Welt und sogar von der Republik Österreich. Am Ende seiner Jahre war Wiesenthal – einstmals Bruno Kreiskys Intimfeind und vom World Jewish Congress bekämpft – ein „great old man”, anerkannt und umworben von (fast) der ganzen Welt.

Das alles ist Tom Segevs Buch: Ergebnis gründlicher Recherche, vor allem auch in Wien. Segevs grundsätzliche Sympathie und Bewunderung für Wiesenthal hindert den Autor nicht, auch Wiesenthals Schwächen zu erwähnen – etwa den eifersüchtigen Wettbewerb mit Elie Wiesel um den Nobelpreis, einen Wettlauf, den Wiesenthal deshalb verlor, weil seine Position gegenüber Kurt Waldheim verzerrt dargestellt worden war; etwa der Mangel an Präzision, wenn es um Details aus einem phantastischen, aber über Jahre hindurch auch schrecklichen Leben ging: Wie viele Konzentrationslager Wiesenthal überlebt hatte, kann aus dessen verschiedenen Erinnerungen kaum noch rekonstruiert werden.

Für diese und andere Schwächen zeigt Segev Verständnis – und erfüllt damit optimal die  Aufgabe eines Biographen: Es geht um das Herausarbeiten der großen Linien; alles, was dem entgegenzustehen scheint, darf nicht ausgelassen, muss aber in die richtige Proportion gebracht werden.

Segev ruft in Erinnerung, wie sehr das Auffinden und die Verhaftung Adolf Eichmanns Wiesenthals Lebensweg bestimmten: Sein hartnäckiges Beharren half mit, die Spur des SS-Offiziers nach Argentinien verfolgen zu können. Die Frage bleibt letztlich offen, wie groß der Anteil Wiesenthals an diesem wohl größten Erfolg der Suche nach Gerechtigkeit seit Nürnberg war. Der Erfolg begründete seinen Ruf als „Nazi-Jäger". Wiesenthal hatte freilich im israelischen „Establishment” nicht nur Freunde – ebenso wenig  wie später, als Folge der Waldheim- „Affäre”, im US-amerikanischen Judentum. Für Österreich ist Wiesenthals Konflikt mit Kreisky von besonderer Bedeutung. Segev widmet diesem Wiesenthal und Kreisky persönlich besonders bewegenden Abschnitt ein umfangreiches Kapitel mit insgesamt 22 Seiten. Segev konzentriert sich bei der Erklärung der 1975 explodierenden Auseinandersetzung auf die Frage nach der Identität. Kreisky hatte Wiesenthal „nicht nur als politischen Gegner, sondern als Feind” betrachtet.

Lesen Sie den gesamten Artikel über Biografie Simon Wiesenthals von Tom Segev.in Printausgabe der INW (August / September 2010).
Tom Segev: Simon Wiesenthal. Die Biographie, aus dem Hebräischen von Markus Lemke. Siedler Verlag, 2010, 576 S, € 30,80.

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Letzte Änderung: 24.02.2012
Webmeisterin+Redaktion: Mag. Ditta Rudle
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