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Aus dem Inhalt der Ausgabe 10/11– 2002

coverbild Feldman
Dorit Feldman: Das fünfte Element, 1988
Metallbuch, bestehend aus Aluminium, Eisen, Messing, Stahl, mit
Texten aus Aristoteles' "Metaphysik". 50 x 220 x 10 cm.


Die Fun-Gesellschaft

Wir kennen ihn alle, den verstärkten Drang zu Mega-Events. Was zählt, und das nicht nur bei den Medien wie Presse und Fernsehen, sind Auflagen und Einschaltquoten. Daraus ergibt sich zwangsläufig eine immer größere Sucht des Publikums nach mehr Unterhaltung. Provokation dient nicht mehr der Wahrheitsfindung sondern nur dem Marketing. Vor allem ist eine strikte Trennung zwischen Kunst und Politik angesagt. Keine unbequemen politischen Äußerungen dürfen die Idylle eines Kunstgenusses stören. Vergessen, dass alle großen Künstler sehr wohl ein Abbild ihrer Zeit und deren politischen Verhältnissen repräsentierten. Die Politik greift stets in unser Leben ein, manchmal merken wir es stärker, manchmal weniger. Das Paradoxe ist es, je weniger wir uns um Politik kümmern, desto stärker ist ihre Wirkung. Es entsteht eine Stimmung, die nur auf persönliches Wohlbefinden bedacht ist und andere Meinungen zwar wahrnimmt, aber sich nicht wirklich damit auseinandersetzt. Durch diese bewusste Entpolitisierung der Kunst, aber auch unseres Alltags, entsteht ein Vakuum, das leicht mit beliebigen und populistischen Aussagen zu füllen ist, die jedoch sehr wohl politisch gemeint sind.

Wenn dann jemand bei einer renommierten Preisverleihung, die obendrein noch im Fernsehen übertragen wird, sich politisch äußert – welch ein Fauxpas! Andre Heller, der die Laudatio auf den Nestroy-Preisträger Claus Peymann hielt und auf die politische Situation in Österreich einging, entfachte damit einen ganzen Schwall von Diskussionen, die mehrheitlich ihm das Recht absprachen seine Meinung bei solch einer Gelegenheit – wie diesem Galaabend – kund zu tun. Er artikulierte deutlich, was viele empfinden, das Hauptargument der Kritik an seinen Äußerungen bestand jedoch nicht im Inhalt sondern wie er es wagen konnte in dieser Umgebung und bei laufender Kamera die Regierung zu kritisieren. Sogar die Bildungsministerin erteilte schlechte Zensuren. Auch die Sponsoren zeigten sich verwundert über so viel schlechtes Benehmen.

Eine ganz naive Frage drängt sich auf: Was hatte man eigentlich erwartet? Sich ganz liberal gebärdend, verleiht man dem Enfant terrible des Theaters, das bereits viele Skandale inszenierte, einen Preis und lädt obendrein noch Andre Heller dazu ein, ihn zu würdigen – und all dies sollte nun in sanfter Harmonie verlaufen? Soviel Naivität ist den Organisatoren kaum zuzutrauen – es wäre auch denkbar, dass solch vorprogrammierter Skandal sehr gelegen käme um einerseits dem Preis mehr Publizität zu verschaffen und andererseits die Beteiligten zu desavouieren. Wie auch immer – beabsichtigt oder nicht – die Diskussionen beweisen wieder einmal wie weit wir von einer funktionierenden Demokratie entfernt sind.

Kritik darf nur auf Plätzen geübt werden, die öffentlich sanktioniert sind. In diese Szenerie fügen sich auch die Forderungen des Justizministers, Journalisten bei "staatsfeindlichen Aussagen" strafrechtlich zu verfolgen. Der ORF darf uns ohne nennenswerte Proteste unentwegt mit offenen oder verborgenen politischen Informationen berieseln und die Arbeit der derzeitigen Regierung würdigen. Die Empörung über die Ordensverleihung der Republik an den italienischen Rechtspopulisten Gianfranco Fini hielt sich ebenfalls in Grenzen und wurde als reines protokollarisches Problem abgetan. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass extrem rechts gerichtete Medien wie die "Zur Zeit" oder der Eckhartsbote namhafte Beträge aus einem aus Steuergeld errichteten "Fonds zur Förderung der Vertriebenenverbände" erhalten. Gleichzeitig werden verschiedene Kulturprojekte, vor allem diejenigen, die nicht Massen anziehen, stark gekürzt.

Nur genehmigt ist alles, was Spaß macht. Fragt man sich nur wie lange soll uns so etwas noch amüsieren?

Joanna Nittenberg

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Der Möllemann-Faktor

Das Ergebnis der Wahl des deutschen Bundestages und damit – indirekt – der deutschen Bundesregierung hat mehrere Facetten. Eine – und nicht die unwichtigste – ist das Scheitern der "18 Prozent"-Strategie des stellvertretenden FDP-Vorsitzenden Jürgen Möllemann. Dieser wollte seiner Partei um offenkundig jeden Preis die Rolle einer für die Regierungsbildung unverzichtbaren Mittelpartei sichern – und eben das ist nicht gelungen, unter anderem deshalb, weil Möllemann zu zynisch auf den Faktor Antisemitismus gesetzt hat.

Möllemann verbarg seinen Appell an den antisemitischen Affekt oberflächlich hinter einer Kritik an Israels Ministerpräsidenten und an dem deutschen CDU-Politiker Michael Friedman. Hinter einer Nebelwand an legitimer Kritik versteckte Möllemann seine wichtigste Botschaft – so, dass sie dennoch leicht zu entziffern war; aber so, dass er den Vorwurf des Antisemitismus mit moralischer Empörung zurückweisen konnte.

Möllemanns Argument, man müsse doch die Politik Ariel Scharons und die Rhetorik Michael Friedmans scharf kritisieren können, ohne sich den Vorwurf des Antisemitismus auszusetzen, ist natürlich richtig: Weder darf die Politik der israelischen Regierung tabu sein, noch das öffentliche Wirken eines deutschen Politikers, nur weil dieser auch Mitglied des Zentralverbandes der Juden in Deutschland ist.

Doch Möllemanns richtiges Argument war natürlich gedacht, um von etwas anderem abzulenken – von der eigentlichen Botschaft, die Möllemann in seiner legitimen Kritik versteckt hatte: Scharon und Friedman wären schuld an einer Zunahme des Antisemitismus. Das ist der typische Appell eines, der kein Antisemit sein will, an den verschämten Antisemitismus seiner Umwelt: Schuld am Judenhass sind die Juden.

Möllemanns Spiel mit dem Antisemitismus ist so besonders abscheulich, weil kalkuliert; weil nicht spontan geäußert, sondern strategisch eingesetzt. Möllemann und die anderen Möllemänner nützen das, was sie als die "Antisemitismus-Keule" selbst erfunden haben, um biedermännisch-treuherzig den Juden die Verantwortung am Antisemitismus zuzuschieben. Die dahinter deutliche Botschaft ist: Seht her, ihr Deutschen (oder Österreicher oder Franzosen oder...), die Juden instrumentieren den Antisemitismus. Die Juden betreiben ein "Shoa"-business. Die Juden wollen allen, die sie kritisieren, sofort die Punze "Antisemit" umhängen. Die Juden verewigen aus purem Eigennutz den Judenhass.

Die Juden, so die Möllemänner, immunisieren jede auch noch so schreckliche Politik des Staates Israel, indem sie die Kritik daran mit Antisemitismus gleichsetzen. Dass diese Behauptung purer Unfug ist und unter anderem durch Hinweise auf die Position eines Yossi Sarid in der

Knesset und prominenter jüdischer (nicht nur israelischer) Beobachter und Kritiker leicht widerlegt werden kann, ändert nichts an ihrer Funktion: Sie gibt den Antisemiten ein reines Gewissen, wenn sie zwischen ihrem (nochmals: legitimen) Eintreten für die Rechte der Palästinenser und einem allgemeinen antijüdischen Affekt nicht zu trennen vermögen.

Möllemanns Strategie ist – zunächst einmal und in Deutschland – gescheitert. Das ist die gute Nachricht. Doch die schlechte ist, dass die Möllemänner überall unterwegs sind – in Österreich etwa, wo sich ein traditionell eher linker Antizionismus von der neurechten Politik der Freundschaft zu Muammar Gaddafi und Saddam Hussein kaum unterscheidet; in Frankreich, wo der Ex-Kommunist Roger Garaudy nicht nur – was sein gutes Recht ist – zum orthodoxen Islam konvertiert ist, sondern zunehmend auch Jean Marie Le Pens Relativierung des Holocaust vertritt; in Polen, wo konservative Katholiken – etwa im Streit um die Definitionsmacht über Auschwitz – nur Katholikinnen und Katholiken in die nationale polnische Identität aufzunehmen bereit sind, während jüdische Polinnen und Polen zu Fremden erklärt werden, durchaus in Fortsetzung der Antizionismus-Kampagne am Ende der Ära Gomulka; überall in Europa, wo – in Analogie zu Aussprüchen à la Haider oder Scharping – die "Ostküste" als ein Begriff verwendet wird, der einmal die Herrschaft der Juden über Amerika und zum anderen die Herrschaft Amerikas über die Welt erklären soll.    (Anton Pelinka)

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Regierungskrise

Vor kurzem planten wir mit Freunden einen Tagesausflug in das Hule-Naturreservat im Norden Israels. Die Zugvögel aus Europa machen dort Zwischenstation, werden teilweise auch gefüttert, um dann ihren langen Weg nach Afrika und nach Südasien wieder anzutreten. Aber eine Frage bewegte uns: Sollen wir es wirklich wagen, den kürzesten Weg durch Wadi Ara (Ara-Schlucht) zu fahren, denn zwei Tage vorher war dort ein Selbstmordanschlag, bei dem 14 Personen getötet und weitere 50 verletzt wurden. Am Ende siegte unser Wunsch, etwas Schönes zu unternehmen. War doch das Wetter angenehm und außerdem, so dachten wir, wird es ja nicht jeden Tag am selben Ort einen Anschlag geben. Der Weg wird vom Militär bewacht. Der wichtigste Gedanke hier ist, dass unser Leben ja weitergehen muss. Terror gibt es immer und überall im Heiligen Land, zumindest im letzten Jahr. So fuhren wir guter Dinge los und kamen – wie wir nicht anders erwarteten – mit heiler Haut zurück. Das schöne Naturerlebnis hatte uns beruhigt.

Erst einen Tag vorher hielt Scharon seine Programmrede vor der neugewählten Zentrale seiner rechtskonservativen Likud-Partei, an deren Spitze er steht. Er betonte immer wieder in seiner Rede, dass wir siegen, siegen und wieder siegen. Wir bekämpfen den Terror, so Scharon, wir nehmen potentielle Selbstmordattentäter fest und wir lassen uns auch nicht vom Terror klein kriegen; denn wir haben ein Ziel: ein großes starkes Israel, das auch den Terror besiegt und auch dank gewisser schmerzlicher Kompromisse Frieden mit den Palästinensern gemacht hat. Allerdings war Scharon nicht fähig, seinen Hörern zu erklären, wie er dieses Ziel erreichen will außer mit Einsatz seines Militärs. Er war auch nicht in der Lage zu erläutern, wie er die schwere Wirtschaftskrise des Landes beheben kann oder wie er es fertig bringt, die immer weiter um sich greifende Armut einzudämmen. Das einzige, was er immer wiederholte wie eine Gebetsmühle, waren seine Worte: Wir siegen, wir siegen, wir siegen. Dabei weiß jeder heute, dass das Volk verängstigt vom Terror ist. Viele wagen sich schon nicht mehr in Autobusse, nicht mehr in große Cafés oder auf die Märkte, weil sie Angst vor Selbstmordattentätern haben. Auch die desolate Wirtschaftslage verschlechtert sich immer mehr. Es gibt schon 350.000 Arbeitslose und deren Zahl wächst. Und die Gastarbeiter, die schon längst ungern gesehene Gäste sind, sind bereit für halben Lohn zu arbeiten. Für sie ist das schon viel Geld. Immer wieder kommen neue ins Land, entweder als Touristen oder sogar als Abgesandte ihrer Regierungen, um hier Neues zu lernen. Erst in diesen Tagen kam eine Delegation von 49 indischen Landwirten nach Israel. Am Ende ihres Besuches verschwanden sie aus dem Hotel, ließen sogar ihre unbrauchbaren Pässe zurück und waren nicht mehr gesehen. Der indische Botschafter zuckte nur mit den Achseln.

Als Scharon vor fast zwei Jahren an die Spitze der Regierung kam, versprach er dem Volk Sicherheit, Frieden und wirtschaftlichen Aufschwung. Sicherheit gibt es heute viel weniger als damals, denn fast jede Woche gibt es ein Selbstmordattentat und die Bevölkerung ist angesichts der Aussichtslosigkeit der Situation im allgemeinen deprimiert und spricht nur über ein Thema: Wie soll es weitergehen? Die wirtschaftliche Lage hat sich nur verschlechtert, der Tourismus – einst der Haupternährungszweig des Landes – liegt völlig brach danieder.

So war die Lage bis vor wenigen Tagen. Nun kommt aber noch dazu, dass Ariel Scharons Einheitsregierung, die hauptsächlich aus dem Likud und der Arbeiterpartei besteht, kurz vor dem Fall ist. Das neue Regierungsbudget, das innerhalb von drei Lesungen bestätigt werden muss, geht jetzt in die erste Lesung. Und hier sagte plötzlich – oder auch nicht plötzlich – die Arbeiterpartei mit Benjamin Ben Elieser an der Spitze: Nein. Wir stimmen dagegen. Scharon darauf: Wer dagegen stimmt, ist nicht in der Regierung.

Allen Ministern der Arbeiterpartei ist es zwar schade, die schönen mit Hirschleder gepolsterten Ministersessel zu verlassen. Aber ihnen ist es klar, dass, wenn sie eine eigenständige Partei sein wollen, sie dem vorgeschlagenen Budget nicht zustimmen können. In ihren Augen geht es nicht an, dass die Städte und Kommunen in den besetzten Gebieten, die fast ausschließlich mit rechtsradikalen Neuansiedlern besiedelt sind, 4–7-mal so viele Regierungszuschüsse erhalten als die ähnlichen Kommunen im alten Israel, obwohl deren wirtschaftliche Lage sehr viel schlechter ist. Hier handelt es sich um insgesamt 230.000 Personen der fünf Millionen Juden, die im "alten" (ohne die besetzten Gebiete) Israel leben. Die Minister der Arbeiterpartei sind auch nicht bereit, den Kürzungen der Altersrente und der Sozialzuschüsse zuzustimmen, insbesondere in einer Zeit, in der viele alte Leute sich nur noch durch Wohlfahrtsküchen über Wasser halten können und die Zahl der Kinder, die unter der Armutsgrenze leben, auf 520.000 gestiegen ist.

Natürlich hat auch die heutige Innenpolitik damit etwas zu tun. Ben Elieser kämpft um sein politisches Überleben. Die Mehrheit seiner Wähler ist gegen seinen Verbleib in der Regierung, da die Arbeiterpartei unter seiner Führung nur der Politik Scharons gefolgt ist. Inzwischen kommen zwei weitere Kandidaten für die Führung der Arbeiterpartei in Betracht. Amram Mitzna – Bürgermeister von Haifa – und Chaim Ramon – Vorsitzender der Sicherheits- und Außenpolitik-Kommission in der Knesset. Die beiden fordern den Rückzug der Neuansiedler aus den besetzten Gebieten sowie sofortige Wiederaufnahme der Verhandlungen mit den Palästinensern zur Bildung eines Palästinenserstaates neben Israel. Die beiden sind der Ansicht, dass bei einer solchen angestrebten Lösung auch die Zahl der Selbstmordattentäter zurückgehen wird und die Wirtschaftslage neu angekurbelt werden wird.

Die beiden – jeder für sich – haben schon jetzt mehr Zustimmung erhalten als Ben Elieser. Bei einem eventuellen Ausstieg aus der Regierung erhofft er sich seine politische Ehre und seine Wählerstimmen noch zu retten. Dennoch ist es schwer für ihn auf den Ministersessel zu verzichten.

Scharon kann auch ohne die Arbeiterpartei regieren, wenn er sich nur auf die kleineren rechtsradikalen Parteien verlässt. Doch ist er dann ihren Erpressungen ausgeliefert.

Auch sein Rivale im Likud, Benjamin Netanyahu, lässt keine Minute vergehen ohne auf Neuwahlen zu pochen, verspricht er sich doch davon den eigenen Wahlsieg.

Wenn Scharon in dem Fall nicht den extremen Forderungen der Ultrarechten nachkommt, gibt es nur eine Möglichkeit: Neuwahlen im Januar des nächsten Jahres.

Zeitgleich versucht Ben Elieser einige Dutzend der 220 illegalen Neuansiedlungen zu räumen. In vielen dieser Siedlungen leben nur 5 – 15 junge Neuansiedler, die hier die "Stellung" halten.

Bisher sind jedoch alle Bemühungen der Armee gescheitert, diese Siedlungen zu räumen, weil alle Neuansiedlungen dieser Art von den Siedlern mit Gewalt verteidigt wurden. Es kam zu heftigen Schlägereien. Die Soldaten wurden immer wieder angegriffen, verflucht und bespuckt, ohne dass sie die Erlaubnis erhielten auf die Neuansiedler zu schießen. Wo es den Soldaten gelang, die Siedler doch zu verdrängen, kamen diese nach kurzer Zeit wieder zurück und errichteten ihre Hütten aufs Neue. Natürlich handeln diese jungen Neuansiedler nicht ganz auf eigene Faust. Die Baracken und alles was dazu gehört erhalten sie von alten Neuansiedlern, die schon in Steinhäusern leben. Die alten Neuansiedler gaben ihren Kindern, die sich illegal an den neuen Plätzen austoben können, eine Art gesetzliche Rückendeckung.

Linke Israelis der "Frieden jetz"ewegung und andere linksgerichtete Gruppen versuchen immer wieder den Palästinensern beizustehen, doch mit der Behauptung, die Palästinenser würden ihre Neuansiedlungen gefährden, behielten zumeist die Neuansiedler die Oberhand. Erst jetzt hat das Militär beschlossen, die Palästinenser vor den Neuansiedlern zu bewachen.

Die große Frage bleibt: Kann es sich ein demokratischer Staat erlauben, eine kleine Gruppe zu dulden, die alle Gesetze missachtet und so handelt, als ob nur sie selbst das Gesetz wäre. Auch hier war der rechtskonservative Likud für die jungen Neuansiedler und gegen die Arbeiterpartei. Dabei hatte sich Scharons Regierung gegenüber der amerikanischen Regierung verpflichtet, keine weiteren Neuansiedlungen in den besetzten Gebieten zu errichten. Die Minister des Likuds behaupten, Ben Elieser würde die neuen Siedlungen nur räumen wollen um bei den inneren Wahlen seiner Partei mehr Stimmen zu erhalten. Doch ist es den meisten Bürgern des Landes klar, dass es sehr schwer ist, ein Regime des "Wilden Westens" in den besetzten Gebieten zu dulden. Noch ist nichts entschieden, noch wackelt Scharons Thron, noch weinen die Minister der Arbeiterpartei um ihre Hirschledersessel und noch gibt es auch Rabbiner, die ihre fanatischen Kollegen mit Hilfe von anderen Bibelzitaten verurteilen. So scheint sich jetzt das alte Bibelzitat zu erfüllen: In diesen Tagen gibt es keinen König in Israel.

Schraga Har-Gil

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Ricardo Maduro – der jüdische Staatspräsident von Honduras

Zahlreiche Generationen von Maduros dienten in Schlüsselpositionen in Mittelamerika

Der demokratisch gewählte und Anfang dieses Jahres vereidigte Staatspräsident von Honduras, Ricardo Maduro, ist der zweite jüdische Präsident dieses mittelamerikanischen Landes, dem bereits zwischen 1847 und 1852 der Sohn einer spanisch-jüdischen Familie, Joaquin Fernandes Lindo, in diesem Amte vorausgegangen war und sich bis zum heutigen Tage als der Vater des honduranischen Erziehungssystems, das eine Schule in jedem Dorf von Honduras sicherte, größter Bewunderung erfreut. Typisch für das von Antisemitismus weitgehend unbelastete Mittelamerika: Vor seiner Wahl zum Staatspräsidenten von Honduras diente Juan Lindo in den Jahren 1841-42 als Staatspräsident von El Salvador. Auch dort blieb er als Erziehungsreformer und Gründer der nationalen Universität in bester Erinnerung.

Ricardo Maduro, der neue Präsident von Honduras, ist keineswegs das einzige Mitglied seiner Familie, der es zum Staatspräsidenten brachte. Sein weitläufiger Verwandter, Eric Arturo Delvalle, wurde 1987 als Staatsoberhaupt von Panama vereidigt. Während seiner Präsidentschaft brachte er eine Tora-Rolle aus Jerusalem nach Panama City und schenkte sie der örtlichen Spanisch-Portugiesischen Synagoge, Kol Shearith Israel, deren Mitglied er war. Sein Onkel, Max Delvalle, der 1969 zum panamesischen Staatspräsidenten gewählt worden war, erklärte in seiner Inaugurationsrede stolz: Heute gibt es zwei jüdische Staatspräsidenten – den von Israel und mich selbst. Als der britische Botschafter in Panama City damals in einem Gespräch bei der Inaugurationsfeier Delvalle als einen panamesischen Benjamin Disraeli bezeichnete, korrigierte ihn Delvalle: Disraeli war nur ein Premierminister. Ich bin hingegen ein Staatspräsident.

Die Maduros gehören zu den bekanntesten und meist respektierten Familien Mittelamerikas und der Karibik. Die Familienangehörigen führten seit 1512 eine genaue Chronik von Generation zu Genera-tion. Antonio und Leonora Roiz lebten als Marranen in Portugal und hielten ihre jüdische Identität gegenüber den Behörden geheim. Ihr Sohn Diego hängte dem Familiennamen die Bezeichnung Maduro an, was mit Reife oder Senior übersetzt werden kann. Diegos Sohn, Antonio Roiz Maduro , wurde wegen Verbrechen gegen den katholischen Glauben und Befolgung der mosaischen Gesetze während der Inquisition auf dem Hauptplatz der portugiesischen Stadt Coimbra auf einem Scheiterhaufen verbrannt.

Seiner Frau gelang es 1618 nach Frankreich zu entkommen, wo sie sich offen wiederum zum jüdischen Glauben bekannte. Ihre Tochter Clara hebraisierte ihren Namen in Rachel und zog 1619 nach Holland, wo sie Moshe Levy traf. Aus Respekt gegenüber der Maduro-Familie eignete dieser sich deren Namen an und hieß von da an Moshe Levy Maduro. Levys Enkel, gleichfalls Moshe Levy Maduro, kam 1672 nach Curacao in der Karibik, wo er zuerst als Kantor in der lokalen Synagoge wirkte, später aber mehrere Plantagen und sogar eigene Schiffe erworben hatte, mit denen er tropische Früchte nach Europa exportierte. Seine Geschwister siedelten sich in Jamaica und St. Thomas auf den Jungferninseln an.

Die engen Beziehungen zwischen allen Mitgliedern der Maduro-Familie haben wesentlich zu ihrer Prosperität beigetragen. Alle waren streng religiös und übten in den Synagogen ihrer Wohnorte verschiedene Ehrenfunktionen aus. Samuel Levy Maduro aus St. Thomas galt 1845 als ein bedeutender Wissenschaftler auf dem Gebiete der Judaistik. Andere Maduros machten sich als Schriftsteller und Historiker einen Namen. Einige waren recht wohlhabend und unterstützten finanziell verschiedene jüdische Zwecke.

Die heutige Maduro Holdings Company wurde 1837 von Shlomo Eliahu Levy Maduro gegründet.

Die Firma betätigte sich auf dem Gebiete der Schifffahrt, unterhielt Speicher für Kohle und Petroleum, besaß Flugzeuglinien und Fabriken für Farben und Baumaterial. Die Holdings Company hat Büros überall in der Karibik, in Südamerika und in den USA. Die Regierung der Niederländischen Antillen hat eine Briefmarkenserie aus Anlass des 150sten Jubiläums der Maduro Holdings herausgegeben, in Anerkennung des immensen Beitrags der Familie zum Wohle der niederländischen Kolonien in der Neuen Welt.

Im Jahre 1916 wurde mit der Maduro Bank eine Familienbank gegründet, die 1932 mit einer Bank der Curiel Familie fusionierte und von da an Maduro & Curiel Bank hieß. Heute ist es die größte Bank der Karibik, die die Entwicklung der gesamten Region finanziert. Die Maduro & Curiel Bank hat auch allen sich auf den karibischen Inseln niedergelassenen Holocaust-Überlebenden Anleihen gewährt und auch sonst geholfen sich eine neue Existenz zu schaffen. Die Verdienste der Bank wurden anlässlich des 75. Jahrestages ihrer Gründung gleichfalls mit einer Briefmarkenserie der Niederländischen Antillen geehrt.

Jossy Maduro, der sich auf die Geschichte des spanischen Judentums in Amerika spezialisierte und sich als Intellektueller einen Namen schuf, Bibliotheken und akademische Institutionen förderte, hatte einen schweren Schicksalsschlag erlitten, als sein Sohn George Levy Maduro von den Nazis ermordet wurde. George Levy Maduro war 1916 in Curacao geboren und fuhr nach Leiden in Holland um dort Rechte zu studieren. Als die Nazis im Mai 1940 in Holland eingedrungen waren, schloss er sich im Range eines Hauptmanns der holländischen Armee im Kampfe gegen die Nazi-Truppen an. Nach Hollands Kapitulation kam er in Gefangenschaft und wurde auf der Flucht ergriffen und nach Dachau verschickt, wo er am 9. Februar 1945 gestorben war. Zu seinem Andenken spendete sein Vater das Geld zur Erschaffung der Miniaturstadt Madurodam unweit von Den Haag, einer Unterhaltungsstätte für Kinder, deren Profite vollumfänglich für die medizinische Betreuung von Invaliden und chronisch Kranken in Holland verwendet werden. Die holländische Regierung hat George Levy Maduro posthum eine Auszeichnung verliehen.

Als der Panamakanal gebaut wurde und die Republik Panama zum wirtschaftlichen Mittelpunkt der karibischen Region wurde, zogen viele Mitglieder der Maduro-Familie aus Curacao, St. Thomas und Jamaica nach Panama um, wo sie bald Schlüsselpositionen in Politik und Wirtschaft einnahmen. Andere Familienmitglieder übersiedelten nach Costa Rica, Honduras und Guatemala, wo Juden spanischer und portugiesischer Abstammung stets höchst willkommen waren und wo sie innerhalb kurzer Zeit wichtige Positionen im öffentlichen Leben und in der Wirtschaft bezogen. Jüdischen Einwanderern in Mittelamerika in den 30er Jahren war Moshe Levy Maduro, dessen Haus als Synagoge diente, eine bekannte Gestalt.

Osmond Levy Maduro, ein Mitglied desselben Stammes, geboren in Panama, zog mit seinen Kindern nach Honduras. Ricardo, einer seiner Söhne, dient dort nun als Staatspräsident.

Karin Gil

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Wien – Berlin

Das Jüdische Frauennetzwerk knüpft die Fäden

Am 13. Oktober 2002 fand der Gründungskongress des Jüdischen Frauennetzwerks in Berlin statt. Bei diesem Kongress trafen einander jüdische Frauen aus Deutschland, Österreich, Frankreich, einigen anderen europäischen Staaten und den USA. Es nahmen Vertreterinnen verschiedener jüdischer (Frauen-) Organisationen teil, u. a. Charlotte Knobloch, Vizepräsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Cynthia Kain, stellvertretende Vorsitzende der jüdischen Kultusgemeinde in Berlin, Frau Kaminsky, Kultusrätin der jüdischen Kultusgemeinde in München.

Interessante Vorträge und Beiträge kamen von Prof. Diana Pinto, Historikerin und Konsulentin beim Europarat, die über die politische Situation der Juden und Israels in Europa und die Notwendigkeit der Vernetzung reflektierte. Prof. Westman, Wirtschaftswissenschaftlerin an der Tel Aviver Universität, die selbst ein Frauennetzwerk aufgebaut hat und leitet, und über die Wichtigkeit der Vernetzung referierte. Liora Eger aus Wien sprach zum Thema Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Juden und Frauen. Deidre Berger, Direktorin des American Jewish Committee in Berlin, erzählte über ihren persönlichen Werdegang und die Möglichkeiten des Mentoring von Frauen für Frauen. Dr. Sharon Ufberg aus den USA berichtete über ihr Projekt Kesher, das jüdische Frauen in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion vernetzt, jüdisches Leben und Tradition fördert und Ausbildungsangebote ermöglicht.

Darüber hinaus fand ein Gründungsworkshop statt, in dem die Erfahrungen der Aufbau- und Organisationsarbeit des jüdischen Frauennetzwerks in Wien einfließen konnten und mitgeholfen werden konnte, erste konkrete Schritte zur Verwirklichung eines überregionalen Netzwerkes in Deutschland und europaweit zu setzen. Eine enge Zusammenarbeit der jüdischen Frauennetzwerke Wien–Berlin bahnt sich an, gemeinsame jährliche Kongresse sind in Planung.

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Kopfschütteln und Jubel für Roman Polanskis Film: "Der Pianist"

Unterschiedliche Reaktionen in Warschau und Tel Aviv

Damit hatte Roman Polanski am allerwenigsten gerechnet: dass sein neuester Film Der Pianist in Warschau nur unterkühlt bis ablehnend, in Tel Aviv dagegen mit Begeisterung aufgenommen würde. Zur Weltpremiere des Films, der den harten Überlebenskampf des polnisch-jüdischen Pianisten Wladyslaw Szpilman im Warschauer Getto zeigt, hatte es auch in Warschau für Polanski ein Blumenmeer gegeben, außerdem einen Filmpreis, das Goldene Zepter. Politiker, Intellektuelle, Kowalskis – alle freuten sich, dass der "heimgekehrte Sohn", der nach Jahrzehnten wieder einmal einen Film in Polen gedreht hatte, auf den Filmfestspielen in Cannes die Goldene Palme für Polen geholt hatte. Zumindest hatte Polanski das während der Preisverleihung immer wieder gesagt: Das ist ein Film, der Polen repräsentiert, ein polnischer Film! Doch schon vor Cannes, als noch nicht klar war, dass Polanski den Preis gewinnen würde, und erst recht nach der Premiere in Warschau, schüttelten die Kritiker in Polen nur noch den Kopf.

Ganz anders in Israel. Dort riefen bei der Premiere in der Tel Aviver Cinematek sogar einige Zuschauer lauthals Bravo, obwohl den meisten sich vor Rührung die Kehle zuschnürte. In der Schlussszene nämlich sitzt der Pianist wieder am Klavier und spielt Chopins Nocturne in cis-Moll – wie zu Beginn des Films, als eine Bombe im Warschauer Rundfunkhaus einschlägt und das Konzert "unterbricht". Er sitzt dort, spielt Chopin und lächelt sogar – als sei in den vergangenen sechs Jahren nichts geschehen, als hätten die Nazis nicht seine ganze Familie ermordet, seine Freunde, Bekannten, Nachbarn. Während die polnischen Kritiker Polanski ein billiges "Happy Ende" vorwerfen, ist in Israel sofort klar, dass diese Szene für die vermeintliche "Normalität" steht, in der Juden nach dem Überleben der Gettos und KZs weiterleben mussten. Dass Szpilman ein Gezeichneter ist, dem die Außenwelt dies nicht unbedingt ansieht.

Tadeusz Sobolewski, Polens bedeutendster Filmkritiker, versteht nicht nur diese Szene nicht, eigentlich bleibt ihm der Sinn des ganzes Films verborgen. Denn erstaunlicherweise sieht er den Film nicht, sondern hört ihn. In Polanskis Film "diskutiere" niemand über die "Sinnfrage des menschlichen Schicksals", moniert er. Tatsächlich aber ist jede dritte Einstellung eine Frage nach dem Warum. Wenn Szpilman auf dem Nachhauseweg nachts an der Gettomauer

vorbeigeht und ein Kind plötzlich in Todesangst zu schreien beginnt, weil es mit den geschmuggelten Lebensmittel schon halb auf der Gettoseite ist, auf der anderen aber ein SS-Mann auf das Kind einprügelt, wenn Szpilmann das Kind am Ende aus dem Loch zieht, es mit gebrochenem Rückgrat in seinen Armen stirbt, soll er dann noch fragen: Warum? Oder wenn Szpilman im schon leeren Getto nach Essbarem sucht, eine große Büchse mit sauren Gurken, aber keinen Dosenöffner findet, wenn er voller Verzweiflung mit einem Ofenschieber auf die Dose eindrischt, reicht dieses Bild nicht, um bei jedem Zuschauer ein Warum auszulösen?

Sobolewski, der in der Tradition der heldenreichen Freiheitskämpfe Polens aufgewachsen ist, stört sich wie Wiseslaw Kot vom Nachrichtenmagazin Wprost daran, dass Szpilman auch in Todesgefahr nie zum Helden wird, sondern immer der Pianist bleibt, der versucht, sein Leben zu retten. Das sei zwar auch im Buch so, aber – so Sobolewski – 60 Jahre nach diesen Ereignissen möchte man mehr wissen und fühlen. Das Absurde ist ein zu einfacher Dietrich, und die Hoffnung am Ende des Films zu schwach. Der Rest ist Kommerz. Auch Kot hat nur vernichtende Kritik für den Film übrig. Es handle sich um eine Art historische Nachhilfe, die beim Zuschauer keinerlei Gefühle aufkommen lasse. Nach der Lektion könne man Fußballspielen gehen.

Ganz anders ist der Film in Israel aufgenommen worden. Uri Klein, der angesehene Filmkritiker der Zeitung Ha'aretz, hält Der Pianis für Klassen besser als Steven Spielbergs Schindlers Liste oder Roberto Benignis Das Leben ist schön. Für Klein ist Polanski ein viel intelligenterer Regisseur als Spielberg. Polanski, der selbst das Getto in Krakau überlebt hat, wisse, dass das Kino die Vergangenheit nicht wieder beleben, sondern nur eine neue Realität an ihrer Stelle erschaffen könne.

Gabriele Lesser

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Am Rande der Nobelpreisverleihung an Imre Kertèsz:
Eine traurige Diskussion

Nach der Verleihung des Nobelpreises für Literatur an Imre Kertész wurde neben der Würdigung seines Werkes auch einiges über das Verhältnis Ungarns zu ihm und zu seiner Geschichte veröffentlicht. Es ist kein Geheimnis, dass die nationalen Schriftsteller nach der Wende den jüdischen abgesprochen haben, echte Ungarn zu sein. Was unbemerkt blieb, ist eine Diskussion in der Budapester Wochenzeitung Élet és Irodalom, die durch einen Artikel von Imre Kertész (3. Mai 2002) ausgelöst wurde. Thema dieser Diskussion ist die gegenwärtige Lage in Israel/Palästina. Kertész war Anfang April 2002 eingeladen nach Jerusalem zur Konferenz – The Legacy of Holocaust Survivors – Moral and Ethical Implications for Humanity. Dem Ehepaar Kertész wurde klar, dass wir fahren müssen, einfach, weil wir danach immer mit dem Gedanken leben müssten, dass wir gerufen worden, aber nicht gegangen sind. Sie kamen in Jerusalem an, als die Terrorwelle auf einem Höhepunkt angelangt schien und Kertész, der sich bei politischen Stellungnahmen meistens zurückgehalten hat, machte sich Gedanken über die europäische Reaktion. Es scheint, als würde aus dem Bodensatz des Unterbewussten, einem schwefeligen Lavaausbruch gleich, der viele Jahre in Zaum gehaltene Antisemitismus wieder aufblubbern. Auf dem Bildschirm sehe ich, in Jerusalem ebenso wie anderswo, gegen Israel gerichtete Demonstrationen.... Ich frage mich, ob man die israelfeindliche Gesinnung nicht trennen muss vom Antisemitismus. Aber ist das möglich?... Wahrscheinlich so, überlege ich, dass die seit etwa 2000 Jahren währende Judenfeindseligkeit sich zum Weltbild verfestigt hat. Der Hass hat sich zum Weltbild verfestigt, und Gegenstand des Hasses ist ein Volk geworden, das in keiner Weise bereit ist, von der Erdoberfläche zu verschwinden.

Erst elf Wochen später meldete sich der Schriftsteller István Eörsi zu Wort und argumentierte wie es diejenigen tun, die wenig von der Sache verstehen, aber einfach wiederholen was ihnen Sachverständige eingeredet haben. Zum Beispiel beanstandete er, dass die palästinensischen Terroristen, die für einen unabhängige staatliche Existenz kämpfen, mit den zivilisationsfeindlichen, zynischen, fundamentalistischen Terroristen des Bin Laden identifiziert werden. Er warf Kertész auch undifferenziertes Denken vor, obwohl dieser nach einer Explosion in einem Bus von Haifa nach Jerusalem über die intellektuellen Kritiker Israels folgendes schrieb: In gewissen Fragen mögen sie offensichtlich auch Recht haben, nur dass sie noch nie ein Ticket für den Bus von Haifa nach Jerusalem gelöst haben. Hier in Israel trägt, bildlich gesprochen, jeder dieses Ticket in der Tasche. Und diese Tatsache bringt die Menschen langsam um den nüchternen Verstand... Ich habe – zumindest hier, bei dieser Konferenz – keinen israelischen Intellektuellen getroffen, der die Notwendigkeit eines palästinensischen Staates bezweifelt hätte Unmöglich, den Terror tatenlos zu erdulden, und unmöglich, dem Terror ohne Terror entgegenzutreten. Eine peinigende Zwangssituation, quälende Fragen, mit denen man allein fertig werden muss.

Eörsi findet es furchtbar, wenn Kertész schreibt: Ich gestehe ehrlich: Als ich im Fernsehen zum ersten Mal die auf Ramallah zurollenden israelischen Panzer erblickte, durchfuhr mich unwillkürlich und unabweisbar der Gedanke: Mein Gott, wie gut, dass ich den Judenstern auf israelischen Panzern sehe und nicht, wie 1944, auf meiner Brust.

Eörsi benützt diese Gelegenheit, um sich als Ungar zu definieren und erwähnt seine Verwandten, die als Rauch hinaufgingen. Der Leserbriefschreiber Dr. Shlomo Stern reagierte darauf und bezweifelte, dass diese, als sie das Zyklon B einatmeten, die Worte der Nationalhymne Gott segne die Ungarn murmelten, er nimmt an, eher Schma Jisroel.

Ich finde es traurig, wenn Eörsi glaubt sein Ungarntum dadurch beweisen zu müssen, dass er einseitig Israel die Verantwortung für den Konflikt unterstellt.

Karl Pfeifer

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Wenn Bücher die Augen öffnen

Judith Rotem: Eine Frau mit Vergangenheit

 

Die Rollenverteilung war klar bei der Präsentation des Romans Eine Frau mit Vergangenheit von Judith Rotem in München. Ich schreibe, Sie lesen, stellte die Schriftstellerin, die mit ihrem in der hebräischen Originalausgabe sehr treffend betitelten Werk Ich habe so sehr geliebt vierzig Wochen auf der israelischen Bestsellerliste stand, fest. Zunächst aber gab es etwas zu hören: Eine wohl komponierte Leseprobe in Deutsch, kongenial vorgetragen von der Schauspielerin Christa Berndl. Sie dürfte allen Cinéasten spätestens seit ihrer Verkörperung der Zofia Steinmann in Jan Schüttes wunderbarer amerikanisch-jiddisch-deutsch-polnischer Filmerzählung Auf Wiedersehen Amerika aus dem Jahr 1993 ein Begriff sein.

Als eine Frau mit Vergangenheit erweist sich Judith Rotems Romanfigur Gabriela, eine todkranke alte Dame, die ihrer inzwischen auch schon achtundfünfzigjährigen Nichte Noemi im Altersheim über mehrere Tage hinweg die Geschichte ihres Lebens erzäh1t. Es eröffnet sich das Panorama auf ein jüdisches Frauenschicksal im 20. Jahrhundert, bestimmt vom Ausbruch aus einem orthodoxen Elternhaus in Budapest, gezeichnet von den Umbrüchen in Europa und geprägt von der Aufbruchzeit in Palästina. Gabi, so erläutert die Autorin, sucht Liebe und Freiheit, und weiß als junge Frau noch nicht, dass sich das ausschließt. Der Bruch mit den Traditionen des Elternhauses, bestimmt vom orthodoxen Lebensrahmen, ist unausweichlich. Judith Rotem verschränkt dies, ausgedrückt in außerordentlich eleganter Stilistik, mit der Geschichte der Nichte Noemi. Die Auseinandersetzung mit Religion, Mutterschaft, dem Ausbruch aus dem Vorgegebenen beschäftigt Judith Rotem sehr, drücken diese Elemente doch Essentielles ihrer eigenen Biographie aus.

Judith Rotem wurde 1944 in Budapest geboren und überlebte mit Eltern und Schwester als Zugehörige des Kastner Transportes. In diesem waren 1.648 Menschen nach achtmonatiger Zwischenstation in Bergen-Belsen in die Schweiz entlassen worden. In jungen Jahren mit einem Rabbiner verheiratet, gebar sie neun Kinder, von denen sie sechs Töchter und einen Sohn aufziehen konnte. Als die älteste Tochter fünfzehn war, beschloss Judith Rotem auszubrechen aus einem Leben, das sie voller Beschränkungen empfand, um ihren Töchtern andere Möglichkeiten zu eröffnen. Ein Fernstudium hatte Judith Rotem Literatur und Psychologie zugänglich gemacht. „Nach zwanzig Ehejahren, mit sieben Kindern, die es zu versorgen galt, und ohne Beruf (ich hatte mittlerweile aufgehört zu unterrichten), mit kaum einem Dach über dem Kopf und ohne Eigentum oder staatliche Unterstützung verließ ich meinen Mann. Ich verließ seine abgeschlossene Welt, um ein neues Leben zu beginnen – es war eine ungeheure Herausforderung, und doch wie eine Erlösung“, schreibt Judith Rotem in ihrem Selbstbekenntnis „Mein Leben als Schriftstellerin“. Vor fünfundzwanzig Jahren begann sie zu schreiben, zunächst einen Artikel aus der Welt ultraorthodoxer Jüdinnen für die in Israel populäre Frauenzeitschrift At (Du). Mit Vergnügen erinnert sie sich an ihren ersten Besuch in der Redaktion, wo immer wieder die Türe der Chefredakteurin geöffnet wurde. Alle wollten die ultraorthodoxe Autorin sehen. Judith Rotem vor Augen kann man sich vorstellen, wie erstaunt die Redakteurinnen gewesen sein dürften, statt der erwarteten Matrone eine zierliche attraktive Frau anzutreffen.

In Israel, sagt sie, hat jeder eine Geschichte. Ich versuche zu erfinden. Aber oft genug schleicht sich die Wahrheit in meine Geschichten ein. Die Liebe zu sakulären Büchern, von den Eltern wie dem Ex-Mann als gefährlich angesehen – denn sie könnten die Augen öffnen – hat sie zum Beruf gebracht, Reportagen und an die fünfzig Bücher als Ghostwriterin für Überlebendenberichte zu verfassen, bevor sie als Romanautorin selbst höchst erfolgreich in Erscheinung trat.

Als Sterbliche, schreibt Judith Rotem, sind wir zu einem einzigen mühevollen Leben verurteilt, ein Leben, in dem die Literatur aber einen Lichtblick darstellt. Denn die Bücher mit ihren Helden, die unsere Herzen berühren, ermöglichen es uns, zusätzliche Leben zu leben. Seit meiner Kindheit habe ich Bücher geradezu verschlungen. Bücher sind für mich genauso wichtig wie die Luft, die ich atme. Durch Bücher habe ich das seltene Privileg genossen, andere Leben neben dem meinen zu leben. Dieses Privileg hat zweifellos meine intime Beziehung zu der Welt der Bücher begründet und mich letztendlich Schriftstellerin werden lassen.

„Zwei ganze Leben“ hat die jung gebliebene Endfünfzigerin vorzuweisen: eines als Mutter, eine Aufgabe, die die inzwischen elffache Großmutter offensichtlich sehr ernst genommen hat, und dann als Autorin. Die Emanzipation ihrer Töchter, darunter eine Publizistin, eine Therapeutin, eine Künstlerin und eine Juristin, ist ihr gelungen. Ihr Sohn, Leiter eines renommierten religiösen Lehrinstituts, hat beschlossen, nichts von seiner Mutter Judith Rotem zu lesen. Mit dieser Übereinkunft kann Judith Rotem, die sich aus der Kenntnis der ehemaligen Insiderin wie ihre Schriftstellerkollegen Mira Magen und Chaim Be’er mit der Orthodoxie ernsthaft auseinandersetzt, leben. Denn sie fühlt sich ihrem orthodox lebenden Sohn weiterhin verbunden. Probleme mit der eigenen Mutter hat es für Judith Rotem in dieser Hinsicht bislang nicht gegeben. Die alte Dame hat nie gelernt Iwrit zu lesen. Mit der deutschen und der geplanten ungarischen Ausgabe könnte sich das ändern. Auf alle Fälle ist hier ein großer jüdischer Roman zu entdecken.

Miryam Gümbel

Judith Rotem: Eine Frau mit Vergangenheit. Aus dem Hebräischen übersetzt von Beate Esther von Schwarze. List Verlag, 2002, 493 Seiten, 23,70 Euro (A).

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Der Mann, der zuviel wusste

Topsy Küppers: Wolf Messing – Hellseher und Magier

 

Auch im Zeitalter der Atombomben und Weltraumfahrten sind Wahrsager, Hellseher, Magier, Sterndeuter, wie man sie auch nennen mag, nicht aus der Mode gekommen, finden sogar wachsend Zulauf.

Von Nostradamus über die mysteriösen Weissagungen von Fatima und Jan Hanussen spannt sich der Bogen bis zu Uri Geller, neuerdings Sponsor eines drittklassigen englischen Fußball-Clubs. Der Rezensent muß jedoch zerknirscht zugeben, dass ihm der Name Wolf Messing bislang unbekannt war – bis ihm das Buch der vielseitigen Topsy Küppers in die Hände fiel. Das er danach nicht mehr aus der Hand geben konnte, bis er die letzte Seite erreicht hatte. Wolf Messing, Hellseher und Magier war zweifellos eine faszinierende Gestalt. Geboren in einem polnisch-russischen Stetl „am Arsch der Welt“, machten ihm sein unerklärbaren telepathischen Kräfte – um einen einfachen Ausdruck zu verwenden – zu einem Bühnenstar der Zwischenkriegszeit.

Seine Fähigkeiten faszinierten bedeutende Persönlichkeiten wie Albert Einstein oder Karl Kraus, brachten ihn in alle Metropolen bis nach Indien. Sein Weg endete im Russland Stalins, der zögernd seine schützende Hand über ihn hielt, während andere im Gulag verkamen. Er lebte in einem blechernen Käfig, konnte sich seine Auftrittsorte nicht selbst auswählen. Der größten Enttäuschung stand er im „roten Palästina“, nämlich Birobidschan, gegenüber, das er zuvor nur aus den lobhudlerischen Schilderungen Gutgläubiger gekannt hatte.

Die Autorin versucht nicht, das Phänomen Messing wissenschaftlich oder parapsychologisch zu erklären – was wahrscheinlich schwer möglich wäre, und nimmt auch einige schriftstellerische Freiheiten in Anspruch, aber diese machen das Buch so eminent lesbar. Sie nennt die Gelehrten, die ihr beratend zur Seite standen. Leider reichte es nicht für einen Literaturindex, der es dem Leser ermöglichen würde allein weiterzuforschen.

Lucian O. Meysels

Topsy Küppers: Wolf Messing - Hellseher und Magier. Langen Müller Verlag 2002, 374 Seiten, Euro 19,90

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belauscht & beobachtet
INW-Adabei

 

Geburtstagsfest. Die Grazer Autoren Vereinigung und das Dialog Institut initiierten für Elisabeth Waeger, Schriftstellerin, Dramaturgin und in den Jahren 1990 –1997 für die Zeitschnitte der Wiener Festwochen verantwortlich, anläßlich ihres 60. Geburtstages ein außergewöhnliches Fest. Während ihrer Tätigkeit für die Zeitschnitte ging es ihr vor allem darum, den Wienern interessantes und ungewöhnliches Avantgarde-Theater aus dem In- und Ausland vorzustellen. So die packenden Produktionen von David Mayaan, Rina Yerushalmi und Tami Raban, die weit über die Grenzen Israels internationale Bedeutung genießen. Sie ist, was viele vergessen haben, auch die Initiatorin der erfolgreichsten Theateraufführung der Wiener Festwochen – „Alma“ von Joshua Sobol in der Regie von Paulus Manker – es wurde sechs Jahre hindurch im Sanatorium Purkersdorf bei ausverkauften Kassen gespielt. Bescheiden wie sie ist, bedurfte es einiger Anläufe, bis sie eine Ehrung ihrer Person zuließ. Eva Dité las unveröffentlichte Texte und aus dem Prosaband Zwischen den Bildern von Elisabeth Waeger, die einen sehr starken Eindruck auf die versammelten Freunde und Fans im Kulturzentrum Siebensterngasse hinterließen. Als Geburtstagsgeschenk trugen die AutorInnen Elfriede Gerstl, Toni Fink, Elisabeth Reichart, Stephan Eibel Erzberg, Heide Heide, Krista Kempinger, Christian Baier, Gerhard Kofler und Beate Baumgart Kostproben aus ihren Werken vor. Ein sehr gelungenes Fest und es ist zu hoffen, dass nun bald die unveröffentlichten Texte der Autorin Elisabeth Waeger einem breiteren Publikum zugänglich werden.

Verdienstzeichen in Gold für Anita Ammersfeld und Michaela Scheday. Die Verleihung des Goldenen Verdienstzeichens des Landes Wien an die beiden Künstlerinnen nahm Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny vor, die Festreden hielten Zeit-im-Bild-Moderatorin Danielle Spera und der Dramatiker Heinz R. Unger.

Ein Staraufgebot war ins Rathaus gekommen, um dem Festakt beizuwohnen. Unter den zahlreichen Gästen aus Politik und Kultur befanden sich Stadträtin Renate Brauner, Stadtrat Peter Marboe, Gusti Wolf, Elfriede Ott, Gerhard Bronner, Paul Chaim Eisenberg, Wilfried Scheutz, Dieter Haspel, Beatrice Frey und viele andere. Theater sei die Kunst, die uns Menschen in unserer Tragik, in unserer Komik, in unserer Banalität, aber auch in unserer Liebenswürdigkeit darstellt, so Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny in seinen einleitenden Worten. Die Auszeichnungen seien ein symbolischer Dank an die Ehrengäste, die mit ihrer Kunst leidenschaftlich, facettenreich und vielschichtig zum Erlebnis Theater beigetragen hätten.

Danielle Spera hob in ihrer Würdigung die Vielseitigkeit der Künstlerin Anita Ammersfeld hervor. Von ihrer Mutter, die selbst Sängerin war, hatte sie das Talent geerbt, von ihrem Vater jedoch die Liebe zur jüdischen Musik. Sie studierte am Royal Conservatory of Toronto in Kanada und an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien. 1974 debütierte sie als Cherubin in der Hochzeit des Figaro an der Wiener Volksoper. Darauf folgten Engagements und Gastspiele in zahlreichen Opern-, Operetten- und Konzerthäusern in Europa. Darüber hinaus etablierte sich die vielseitige Sängerin als Interpretin von Chansons und jiddischen Liedern. Mit der Gründung des Musikforum Ammersfeld im Jahr 1988 hatte sie sich die Möglichkeit geschaffen, eigene Produktionen zu gestalten. Vor allem die Erhaltung der jüdischen und jiddischen Musik lag ihr in den letzten Jahren sehr am Herzen. Nach einer sehr erfolgreichen CD entstanden die ersten Musiktheaterproduktionen, die in Satiren wie Eine schrecklich nette Mischpoche oder Anonyme jüdische Mütter mündeten. Derzeit widmet sie sich ihrem neuen Soloprogramm, einer Hommage an Kurt Weill, die am 4. Dezember Premiere hat.

Großen Applaus erhielt der Schriftsteller Heinz R. Unger für seinen sehr pointierten Einstieg in die Laudatio auf Michaela Scheday. Wenn heute Künstler mit Ehrenzeichen dekoriert werden, zeigt das auch die Ratlosigkeit der Gesellschaft bei der Frage, was man sonst mit ihnen, den Künstlern, machen sollte. Wie soll man zeigen, wie sehr man sie schätzt, wenn sie unschätzbar sind? Wie soll man einen Preis festsetzen für etwas, das unbezahlbar ist? Ich finde es allerdings tausendmal sinnvoller, wenn die Stadt Wien ihre Künstler auf diese Weise auszeichnet, und auf diese Weise deutlich sichtbar macht, dass sie eine Kulturstadt ist und sein will, als wenn der Staat Österreich dem Chef der italienischen Postfaschisten das „Große Goldene für Verdienste um die Republik“ umhängt.

Michaela Scheday wurde 1953 in Wien geboren. Pünktlich achtzehn Jahre später macht sie hier die Matura, um gleich danach nach Israel zu gehen, und zwar in einen Kibbuz – vermutlich, um die Wüste zum Blühen zu bringen. 1972 kehrt sie nach Wien zurück, studiert Theaterwissenschaften und Logistik, besucht die Schauspielschule Krauss bis zum Diplom, und Seminare in Berlin und der Schweiz. Was sie am Theater interessiert ist das Widerständige, Aufmüpfige, Neue. Die Bühne als Arena, das Drama als Kampfplatz großer geistiger Entwürfe, der Auftritt als Haltung.

Ihre erste künstlerische Heimat fand sie in Dieter Haspels Ensembletheater am Petersplatz, zu dessen bedeutendster Hauptdarstellerin sie sich in den folgenden Jahren entwickelte. Sie spielte unter anderen die weiblichen Hauptrollen in Stücken von Ibsen, Brecht, Schnitzler, Achternbusch, Unger und Turrini. Ende der 80-er Jahre entdeckte sie ihre Liebe zur Regie. Wichtige Regiearbeiten waren im Vorjahr etwa die Erich-Fried-Hommage Von Bis nach Seit, Peter Turrinis Die Wirtin im Ensembletheater und Charlotte Keatleys Doch die Mutter spricht in der Drachengasse. Seit einigen Jahren wird das Schreiben immer wichtiger für Michaela Scheday. So stammen Texte zu Sushi-Connection und Ein Fest für Frida Kahlo von ihr. Mit Schreiben, Inszenieren und Spielen verkörpert Michaela Scheday die „Trilogie der darstellenden Kunst“. Zur Zeit führt Michaela Scheday wieder einmal Regie. Im Oktober steckte sie noch mitten in den Probearbeiten zu dem Musical Die Geierwally von Reinhard P. Gruber mit Beatrice Frey, Jazz Gitti und Wilfried Scheutz in den Hauptrollen. Die Musik wurde von Reinhard Ziegerhofer und Andreas Safer kompiniert, zwei Musikern, die durch ihre Gruppen Broadlahn und Aniada a Noar dem musikalischen Feinspitzen längst ein Begriff sind. Die Produktion läuft mit Erfolg im St. Pöltner Theater Bühne im Hof.

Missionschef. Als Nachfolger von Ilan Ben-Dov ist in Wien Botschaftsrat Eitan Levon eingetroffen. Levon hat damit die Funktion eines stellvertretenden Missionschefs der Botschaft des Staates Israel in Österreich eingenommen. Er wird auch für die Bereiche Presse und Öffentlichkeitsarbeit zuständig sein. Eitan Levon wurde 1959 in Haifa geboren und besuchte dort das Gymnasium. Nach dem Armeedienst studierte er 1981 bis 1986 in Haifa Politikwissenschaft und Geschichte. Nach seiner Tätigkeit in der Privatwirtschaft 1981 bis 1989 im Tourismusmanagement trat Levon 1989 in den diplomatischen Dienst ein, wo er zunächst in der israelischen Botschaft in Prag arbeitete. Die weiteren Stationen seiner Karriere: 1992/93 Osteuropa-Abteilung im israelischen Außenministerium, 1993-96 zweiter Sekretär der Botschaft in Prag, 1996-99 Erster Sekretär der Botschaft in Wien, akkreditiert in der Slowakei und Kroatien, bis 2002 wieder im Außenministerium in Jerusalem.

 

Erich Schmid (1908–1984): wiederentdeckt. Die Sonderausstellung der Kunst- und Antiquitätenmesse im Palais Ferstel sowie eine gleichzeitige Präsentation des Kunsthandel Widder ist dem fast vergessenen Maler Erich Schmid gewidmet, dessen Arbeiten vom 1.–30. November zu sehen sind. 1938 floh Erich Schmid von Wien nach Paris und geriet wie viele andere Künstler der „verschollenen Generation“ ins Dunkel. Nach langen Recherchen in Frankreich, Belgien, Kanada und den USA ist es dem Kunsthandel Widder gelungen 50 ausgewählte Bilder aus Privatsammlungen zurückzukaufen und somit erstmalig einen Einblick in das Werk dieses Wiener Expressionisten zu geben. In der Tradition berühmter Zeitgenossen wie Oskar Kokoschka, Wilhelm Thöny, Sergius Pauser, Georg Eisler, Gerhard Frankl oder Jean Egger stehend, stellt das Werk Schmids eine Neuentdeckung in Österreich dar. Erich Schmid, 1908 geboren, inskribierte 1925 nach einem abgeschlossenen Psychologiestudium an der Kunstgewerbeschule in Wien Malerei. Berlinaufenthalte, Besuch der Reimann School of Art und Ausstellungen in der Sezession und der Kunstgewerbeschule kennzeichnen seine kurze künstlerische Karriere bis 1938. Nach seiner Flucht aus Österreich gelangt er über Belgien nach Paris. Seine Familie wird nach Auschwitz deportiert. Schmid wird 1940–42 zusammen mit seinem Freund Jean Amery in Gurs interniert, ab 1945 lebt Schmid in Paris und etabliert sich in der Pariser Kunstszene. Gemeinsam mit seiner amerikanischen Lebensgefährtin, der Malerin Gail Singer, beteiligt sich Schmid an diversen Ausstellungen in Frankreich, Belgien, Schweiz und den USA. Eng verbunden ist sein Werk mit dem Literaten Jean Amery (der eigentlich Hans Mayer hieß), mit dem er nicht nur gemeinsam interniert war, sondern ihn schon seit Jugendjahren kannte. Die enge Freundschaft sowie die Parallelität der Biographien und Erfahrungen veranlassen Amery einen Roman mit biographischen Zügen über Erich Schmid zu schreiben, der auch in die zur Ausstellung erschienen Monographie mit Beiträgen von Mathias Boeckl, Walter Koschatzky, Claudia Widder sowie Abdrucken von Textbeiträgen Jean Amerys einfließt. Diese Retrospektive ist nicht nur die erste umfassende Würdigung des Künstlers in seiner alten Heimat, sondern die erste Wiener Einzelausstellung Schmids überhaupt.

<>Eisenberger- Sammlung in Wien. Bis 2. März zeigt das Historische Museum der Stadt Wien in der Hermesvilla die Sonderaustellung „Lust auf Kunst“, in deren Rahmen Kunstwerke aus der Sammlung Jenö Eisenbergers gezeigt werden. Eisenberger zählt zu den größten privaten Kunstsammlern Österreichs. Als Sohn einer ungarischen jüdischen Familie überlebte Eisenberger unter falschem Namen in Budapest. 1949 kam er nach Wien, wo er bald erfolgreich im Lebensmittelhandel tätig war.

Seit den frühen achtziger Jahren sammelt Eisenberger Kunst, wobei ihn seine Frau Vera, eine Kunsthistorikerin, inspirierte. Unter anderem trug Eisenbergers Sammlertätigkeit dazu bei, den Werken Broncia Koller-Pinells zu der ihnen entsprechenden Bedeutung zu verhelfen. Das Zentrum seiner Sammlung bilden Werke des österreichischen Stimmungsimpressionismus, unter anderem von Emil Jakob Schindler. Der zweite Schwerpunkt der Sammlung betrifft Kunst um 1900, neben Koller-Pinell auch Bilder von Carl Moll, Keramiken von Michael Powolny und eine bedeutende Sammlung von Lötz-Vasen. Die Ausstellung in der Hermesvillabietet die seltene Chance, einen Einblick in diese bedeutende österreichische Privatsammlung zu erhalten.

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Letzte Änderung: 03.01.2012
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